Der Metropolis-Verlag veröffentlicht Bücher im Bereich kritische Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften. Gegründet wurde der Verlag 1986. Die Vorgeschichte ist ungewöhnlich genug, um hier erzählt zu werden:
In den 80er Jahren gab es am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Marburg eine Studierendeninitiative, der 40 oder mehr Leute angehörten, die neben ihrem Studium eine "Universität von unten" betrieben. Das heißt, sie versuchten sie über viele Jahre hinweg sich eigenständig, aber gemeinsam, alternative und kritische Zugänge zur Ökonomie zu erarbeiten. Das später prominentestes Mitglied dieser Gruppierung wurde übrigens Rainer Baake, Staatssekretär unter Joschka Fischer (Hessen), Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel, Direktor der "Agora Energiewende", Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, im Moment Direktor der Stiftung Klimaneutralität. Dieses System der Mehrarbeit schien uns notwendig zu sein, weil der wirtschaftswissenschaftliche Fachbereich alle Spielarten des Keynesianismus, Marxismus und des amerikanischen Institutionalismus weitgehend ausblendete, und andererseits die Marburger Gesellschaftswissenschaft stark marxistisch ausgerichtet war, und zwar in dogmatischster Gestalt (DKP), was auch nicht jedem zusagte (viele von uns begannen mit einem Doppelstudium VWL und Gesellschaftswissenschaft). Also begannen wir, die Dinge selber in die Hand zu nehmen und organisierten Lektürekurse (Smith, Ricardo, Ernest Mandel, Elmar Altvater, die sozioökonomischen Studientexte von Werner Hofmann, Schumpeter und manches andere), Arbeitskreise zur Umweltpolitik, damals unter Ökonomen noch sehr randständig, zu Dependenztheorie (Senghaas, Menzel), Keynesianismus, Post-Keynesianismus und betriebssoziologischen Herrschaftstheorien. Außerdem führten wir Veranstaltungen und Veranstaltungsreihen zu wirtschaftstheoretischen und -politischen Themen durch bis hin zu "kritischen Betriebsbesichtigungen". So viele Freiheiten ließ das Studium noch in den 80er Jahren!
Als Ergebnis einer solchen Veranstaltungsreihe, nämlich einer "Einführung in den Post-Keynesianismus" im Wintersemester 1985/86, zu der wir u.a. Peter Kalmbach (der nicht kam, aber durch Heinz D. Kurz wunderbar vertreten wurde), Bertram Schefold, Jürgen Kromphardt, Hajo Riese und Karl Dietrich eingeladen hatten und die verbliebenen Lücken der Einführung durch eigene Ausarbeitungen schlossen, wurde der Verlag 1986 von vier Leuten gegründet, die damals alle ihr Studium gerade beendet hatten.
Die ersten drei Titel erschienen 1987: eben diese Einführung in den Postkeynesianismus, eine Kalecki-Auswahl von Kazimierz Laski und ein Essayband von Joan Robinson. 1988 folgten übersetzte Lehrbücher von Amit Bhaduri, Jan Kregel und Luigi Pasinetti. In den Folgejahren wurde die Produktion rasch erhöht. Seit Mitte der neunziger Jahre legen wir etwa 50 Neuerscheinungen jährlich vor.
Motivation zur Verlagsgründung war, dass die theoretischen Gegenentwürfe zur neoklassischen Ökonomik, die sich in den Jahrzehnten zuvor vor allem in den USA, Großbritannien und Italien herausgebildet hatten, in Deutschland zu wenig beachtet wurden. Gedacht war zunächst vor allem an den Postkeynesianismus in der Tradition von Michal Kalecki und Joan Robinson, den Monetärkeynesianismus (Hyman Minsky, Paul Davidson, Hajo Riese) und den Neoricardianismus (Piero Sraffa, Luigi Pasinetti, Pierangelo Garegnani, Heinz D. Kurz, Bertram Schefold).
Einmal ins Laufen gekommen wurden bald weitere heterodoxe Schulen hinzugenommen, etwa Ökologische Ökonomik, Institutionenökonomie und Institutionalismus, Evolutorische Ökonomik, die Österreichische Schule der Nationalökonomie und später auch die Experimentelle Wirtschaftsforschung. Ab 1995 ein weiterer Glücksfall: eine kritische BWL (Reinhard Pfriem, Josef Wieland, Eberhard Seidel) mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsthemen und ethischen Fragestellungen. Zu einem besonderen Steckenpferd entwickelte sich die Geschichte des ökonomischen Denkens, und hier insbesondere die reiche deutschsprachige Theorietradition, die meist unterschätzt, jedenfalls zu wenig zur Kenntnis genommen wird. Die erste theoriegeschichtliche Arbeit erschien 1993 - heute liegen etwa 180 Bücher zur Geschichte der Ökonomie und Philosophie vor.
So hatte sich der Kern unseres Programms schon früh herausgebildet, wurde aber immer wieder durch neue Themen ergänzt und aktualisiert: Sozialpolitik, Verbändesoziologie, Umweltinformatik, Agrarökonomie, Wirtschaftsphilosophie, Gesellschaftsanalyse, Techniksoziologie, Städtebau, Immobilienwirtschaft, Digitalisierung, Bildungspolitik und vieles anderen kamen hinzu.
Inzwischen sind über 1500 Titel erschienen. Nicht wenige davon liegen in weiteren Auflagen vor, bis hin zur 9. Auflage. Entgegen dem Branchentrend und jeder wirtschaftlichen Vernunft legen wir großen Wert darauf, unsere Bücher möglichst lange lieferfähig zu halten. So sind noch 99% der bei uns erschienenen Bücher bis heute verfügbar.