Zusammenfassung:

Dieser Beitrag ist eine historische Betrachtung der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften mit dem Augenmerk auf dem Verhältnis zwischen wirtschaftswissenschaftlicher Theorie auf der einen und Ethik und Epistemologie auf der anderen Seite. Die zentrale Hypothese ist, daß sich die Volkswirtschaftslehre in zwei Schritten systematisch vom Entwurf Adam Smiths entfernt hat und daß die Betriebswirtschaftslehre diese Entwicklung am Ende mit Nachdruck unterstützt hat. Adam Smith stimmte der klassischen Einteilung der Wissenschaften in Moralphilosophie, Naturphilosophie und Logik zu und situierte die Volkswirtschaftslehre in der Moralphilosophie. Er beschrieb den moralpsychologischen Prozeß menschlicher Entscheidungen und wie aus diesem Prozeß, der für ihn auf sympathy beruhte, der Markt entstand. Gleich nach Smiths Tod wandten sich die nachfolgenden Ökonomen von dessen Verständnis ab und schufen eine volkswirtschaftliche Theorie, die sich an der Physik orientierte. Die Volkswirtschaftslehre war keine Unterdisziplin der Moralphilosophie mehr, sondern eine Naturphilosophie. Das Menschenbild änderte sich radikal: fortan war der Mensch eindimensional motiviert und maximierte seinen Eigennutz. Im 20. Jahrhundert wurde die Kunstfigur des Homo oeconomicus durch den Homo oeconomicus syntheticus ersetzt und die Wirtschaftswissenschaften in die Formalwissenschaft (Logik/Mathematik) transferiert. Dieser Beitrag legt dar, wie diese Entphilosophisierung die Wirtschaftswissenschaften in eine intellektuelle Sackgasse geführt hat, in der die offensichtlichen ethischen und epistemischen Probleme, den Wissensfortschritt massiv hemmen.