Aus der Einleitung:

Seit den 1970er Jahren steht in der Soziologie die These des Übergangs der Industriegesellschaft in ein post-industrielles Stadium zur Debatte. Diese mittlerweile weitverzweigte Debatte über die Transformation der Industriegesellschaft in eine post-industrielle Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft hebt vornehmlich auf die sich im Vergleich zur klassischen Industrieproduktion zunehmend abzeichnenden Veränderungen der Inhalte und/oder Resultate des gesellschaftlichen Produktionsprozesses ab. So ist einerseits im Zuge der Rationalisierung der Industrieproduktion eine „Tertiärisierung“ innerhalb des industriellen Produktionsprozesses selbst zu verzeichnen (Deutschmann 2002; Moldaschl 1998). Andererseits, und darüber hinaus, sind neue Produkte bzw. Produktionszweige entstanden, wie etwa: ökonomische, juristische oder technische Beratung, Coaching, Public Relations, Werbung, Neue Medien, neuartige Finanzprodukte, kurz: Dienstleistungen im weitesten Sinne.

Gemeinsam ist diesen Neuerungen der Produktion im Industrie- und Dienstleistungssektor, dass sie einerseits mit einer Tendenz zur Höherqualifizierung einhergehen, und dass sie andererseits vielfach mit Veränderungen der Arbeitsorganisation verbunden sind. Die vielzitierte „Tertiärisierung“ bzw. „Wissensbasierung“ der Wirtschaft geht einher mit einer Tendenz zur Selbstorganisation von EinzelarbeiterInnen und Arbeitsgruppen. Die Interaktionsformen im dezentralen „Netzwerkunternehmen“ (Castells), in der „fraktalen Fabrik“ (Warnecke), verändern sich hin zu einer „diskursiven Koordinierung“ (Braczyk/Schienstock). Professionssoziologisch gewendet: Die Berufsbilder der post-tayloristischen IndustriearbeiterInnen sowie der DienstleisterInnen und WissensarbeiterInnen beinhalten zunehmend, dass diese über ihre fachliche Qualifikation hinaus über „kommunikative“ und andere, „weiche“ Fähigkeiten verfügen müssen. Während der Taylorismus das Produktionswissen bei den PlanerInnen und KontrolleurInnen zu monopolisieren anstrebte, so ist unter post-tayloristischen Bedingungen eine enge Verbindung von ausführender Arbeit und Wissen zu verzeichnen, wobei dieses Wissen nunmehr nicht nur sachlicher, sondern auch organisatorischer Art ist. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation von Arbeit wird zu einer geradezu existentiellen Qualifikation in den post-industriellen Industrie- und Dienstleistungsbereichen.

Der Arbeits- und Organisationssoziologie stellen sich die Fragen nach den Ursachen und der Funktionsweise dieser post-industriellen, zunehmend auf individueller und kollektiver Selbstorganisation beruhenden Produktionsprozesse. Diese Fragen wurden und werden kaum noch unter Rekurs auf die Klassiker des Fachs – namentlich v.a. Marx (Lohr 2003, 512), aber auch Weber, die gleichermaßen von einem bürokratischen Modell der Rationalisierung ausgegangen sind – beantwortet. Antworten auf die angegebenen Fragen wurden stattdessen v.a. vor dem Hintergrund der soziologischen Theorieentwicklung seit den 1970er Jahren erarbeitet. Dies umfasst eine Reihe systemtheoretischer, entscheidungstheoretischer und post-strukturalistischer Erklärungsansätze. Es wurde allerdings auch an die Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas angeknüpft. Diese kommunikationstheoretische Diskussion um neue Arbeitsformen wurde entlang der Frage nach möglichen Grenzverschiebungen zwischen Lebenswelt und System geführt, insofern unter post-industriellen Bedingungen nunmehr Formen der Handlungskoordination, die bei Habermas der Reproduktion der Lebenswelt zugerechnet werden, zu einem Moment der Produktion und damit des Systems zu werden scheinen.

Diese Debatte möchte ich im Folgenden kritisch rekapitulieren. Dem zu Grunde legen möchte ich eine Vergegenwärtigung zentraler Aspekte Arbeit in post-bürokratischen Organisationen 99 des Wirtschaftskonzepts der Habermasschen Theorie des kommunikativen Handelns (1.). Darauf aufbauend werde ich die arbeitssoziologischen Anknüpfungsbemühungen an Habermas hinsichtlich der Diskussion der Fragen nach den Ursachen und der Funktionsweise neuer, post-tayloristischer Organisationsformen rekapitulieren (2.). Abschließend möchte ich die Stärken und Schwächen dieser Ansätze resümieren und konstruktiv aufeinander beziehen (3.).