Aus der Einleitung der Hg.:

Die steigende sozialstaatliche Adressierung und Nutzung des Ehrenamts bei der Sorgearbeit für Kinder, Familien, Menschen mit Behinderung, Alte, Kranke und Pflegebedürftige („soziales Engagement“) stellt den Ausgangspunkt des Beitrags von Tine Haubner dar. Die Autorin analysiert in kritischer Auseinandersetzung mit einem arbeitssoziologischen Aufsatz von Böhle und Kratzer aus dem Jahr 1999 die derzeitige Ausgestaltung des Engagements anhand der Kategorien Nützlichkeit, Gratifizierung, Selbstverwirklichung, Qualifizierung und gesellschaftlicher Regulierung. Haubner zeichnet in ihrem Beitrag nach, wie durch Semi-Professionalisierung (wie Qualifikationskurse und Zertifizierungen) und Monetarisierung (wie Aufwandsentschädigungen) im Ehrenamt die Grenze zur professionellen Arbeit zunehmend verwischt wird; das Ehrenamt hat sich den Beschäftigungsverhältnissen des ersten und zweiten Arbeitsmarktes angenähert.

Im gesellschaftlichen Kontext mangelhafter kommunaler Daseinsvorsorge, begrenzter Infrastruktur sowie verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit und Altersarmut bewegt sich das Engagement damit zwischen freiwilligem Ehrenamt und Niedriglohnarbeit. Auch zeigt Haubner, dass in dieser Entwicklung sozialarbeiterische und damit sozialstaatliche Kernaufgaben ins Engagement verlagert wurden. Während Böhle und Kratzer eine Komplementarität zwischen Erwerbsarbeit und ehrenamtlichem Engagement erwarteten, kommt Haubner folglich zu dem Schluss, dass es starke Tendenzen zur Substitution gibt, mit denen Prozesse der Informalisierung und Deprofessionalisierung von Arbeit einhergehen. Somit zeigt auch dieses Beispiel der Organisation informeller Sorgearbeit, dass die Hoffnungen in die Dienstleistungsgesellschaft enttäuscht wurden: Statt dass es zu der erhofften Aufwertung und Humanisierung einer sozial abgesicherten Erwerbsarbeit in den Dienstleistungen kam, entstand und wächst im Bereich des Ehrenamtes ein informeller Graubereich, in den hauswirtschaftliche und pflegerische Dienste oder sozialarbeiterische Kernaufgaben verschoben werden.