Abstract:

Der Beitrag untersucht in einer Fallstudie verschiedene Auflagen des führenden BWL-Lehrbuches Wöhe ideologiekritisch. Theoretischer Ausgangspunkt ist Zimas sozio-semiotischer, ambivalenter Ideologiebegriff: Geänderte gesellschaftliche Situationen führen zu ideologischem Engagement im positiven Sinne und können betriebswirtschaftliche Diskurse und ihre Lehrbücher beflügeln. Im Wöhe werden Überarbeitungen im Jahre 2010 mit der Finanzkrise, 2016 mit der gefährdeten Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und 2020 mit der Corona-Pandemie begründet. Diskurs und Lehrbuch unterliegen aber der ideologischen Versuchung im negativen Sinne, wenn sie ein dualistisches, manichäisches Weltbild entwickeln. Um Manichäismen methodisch nachweisen zu können, arbeitet der Beitrag die narrative Tiefen-Struktur des Wöhe mit Hilfe des Modells der Aktanten und Modalitäten von Greimas heraus. Die Analyse der Überarbeitungen und weiterer Kapitel ergibt, dass die Autoren des Wöhe der ideologischen Versuchung im negativen Sinne erlegen sind. Für die Rezipienten, also die BWL-Studierenden, heißt dies, dass ihre Epistemologie auf der untersten Stufe gehalten wird: die Autoren oktroyieren ihnen eine recht einseitige Sicht der BWL. Ein für spätere Managementtätigkeiten so wichtiges kritisches Denken wird so nicht gefördert. Der Beitrag versucht auch mit Beispielen zu zeigen, wie ein dialogisches, kritisches Denken förderndes Lehrbuch möglich ist, das im Sinne Adornos „gegen sich selbst denkt“ ohne seine (im Falle des Wöhe „wirtschaftstheoretische“) Grundkonzeption preiszugeben.