Im Jahr 1967 ging ich mit einem Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft an die University of Chicago, um eine ökonometrische Habilitationsschrift über die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern auszuarbeiten. Das Stipendium lief für ein Jahr und wurde um ein weiteres verlängert. Die Daten, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte, erwiesen sich als ausgezeichnet; und ich habe mich mit dieser Arbeit später auch an der Universität Bonn habilitiert. Dennoch musste ich bemerken, dass mir die Ökonometrie doch nicht so sehr lag, wie ich erwartet hatte. Als mein deutscher Chef einen Ruf an die Mathematische Fakultät der Technischen Universität München annahm, war ich zunächst am Ende; denn mich an einer mathematischen Fakultät zu habilitieren, schien mir unmöglich und entsprach nicht meinen Neigungen. Also suchte ich mir einen Job an der University of Chicago – und fand ihn am Center for Urban Studies. Dort ging es um eine empirische Studie über die Nachfrage nach Müllabfuhr innerhalb der Stadt Chicago. Erstaunlicherweise ähnelten die dort gesammelten Daten den meinen sehr, obwohl es sich um einen ganz anderen Gegenstand handelte; und ich konnte sie mit Hilfe des mathematischen Modells für meine Habilitationsschrift wunderbar erklären. Ich arbeitete dort für ein Jahr, studierte zur theoretischen Grundlegung intensiv Welfare Economics und wurde mit einem mir noch unbekannten Fach vertraut, das Environmental Economics hieß. Später erfuhr ich, dass „environment“ im Deutschen „Umwelt“ heißt; auch von diesem Begriff hatte ich vor meiner Abreise nach Chicago noch nie gehört.

Als ich Ende 1970 nach Deutschland zurückkehrte, war die Umwelt zu einem politisch zentralen Thema geworden, mit dem ich von meinem amerikanischen Hintergrund her gut vertraut war. Nur hatte ich Umweltökonomik eben an der University of Chicago gelernt und verstanden, dass eine professionelle Umweltpolitik auf den Markt als Instrument setzen musste. Ich äußerte dies in der öffentlichen Diskussion und stieß auf ungläubiges Gelächter. Die deutschen Umweltspezialisten fanden derlei Ideen einfach komisch. Immerhin wurde ich bekannt als lustiger Außenseiter, der zu Vorträgen eingeladen wurde, weil meine als abstrus empfundene Argumentation unausweichlich zu Heiterkeitserfolgen führten.

Während es in Chicago völlig klar war, dass Umweltressourcen eben knapp und effizient nur zu bewirtschaften waren, wenn sie auf virtuell zu schaffenden Märkten Knappheitspreise erzielen konnten, gab es in Deutschland die feste Überzeugung, dass aufgrund von Marktversagen im Umweltbereich der Staat aufgerufen sei, ordnungsrechtlich einzugreifen, und zwar mit Hilfe von Geboten und Verboten. Damals wirkten die Thesen des Club of Rome von den „Grenzen des Wachstums“ (1970) prägend. Diese Veröffentlichung erschien als Fanal: Eine Welt ging zu Ende. In den 50er Jahren war es selbstverständlich geworden, dass die Wirtschaft wachsen musste, um stabil bleiben zu können. Die Wirtschaft war wie ein Fahrrad, das umfiel, sobald es nicht mehr voranging. Die Wachstumstheorie beschrieb, in welcher Weise die Wirtschaft optimal zu wachsen hatte, exponentiell, es gab Turnpike Theoreme, Autobahnen des Wachstums wurden trassiert, das Wachstum war zum Fetisch geworden. Und nun wurden plötzlich Grenzen des Wachstums aufgezeigt! Das war undenkbar, eine Katastrophe!

Dabei gab es ein großes Missverständnis. Der Club of Rome bemerkte nicht, dass er einem biologistischem Denken aufgesessen war, das dem Gegenstand nicht entsprach. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel, eine einleuchtende Analogie, so viel ist klar! Aber die Wirtschaft ist kein Baum. Man muss die Natur ökonomischen Wachstums verstehen. Was da wächst, sind Werte, die unbegrenzt wachsen können. Das Bruttosozialprodukt wird aus Umsätzen berechnet, also aus Mengen multipliziert mit Preisen. Relevant für die Umwelt sind alleine die Mengenkomponenten, nicht aber die Wertkomponenten. Nehmen wir als Beispiel den Computer. Der erste von ihnen war wie ein Hochhaus, er verschlang Unmengen von Energie und konnte nicht mehr errechnen als jene Winzlinge, die man heute im Kaufhaus für ein paar Euro ersteht. Sofern man sorgfältig auf die Mengenkomponente achtet und diese im Rahmen hält, ist Wachstum ad infinitum möglich. Später hielt ich routinemäßig die Vorlesung „Umweltökonomie“ und schuf an der Universität Münster das entsprechende Wahlfach. Es handelt sich, was den theoretischen Teil angeht, um angewandte Wohlfahrtsökonomie, die in Deutschland weitgehend unbeachtet geblieben war, während die in den USA zum selbstverständlichen Grundwissen der Studenten gehörte.