Resümee:

Die zusammenfassende Antwort auf die Eingangsfrage, inwieweit die 17 Transformationsländer Ostmittel- und Südosteuropas sich auf dem Weg zu einer sozialen Marktwirtschaft befinden oder dieses Prädikat bereits bedienen, fällt somit schwer. Im Grunde müsste für jedes der 17 betrachteten Länder eine eingehende genauere Untersuchung stattfinden. Hier wurde für jede der drei Hauptgruppen ein Land ausgewählt, das annäherungsweise stellvertretend für die übrigen Länder dieser Gruppe betrachtet wurde. Zweifelsohne erfüllen alle 17 Länder Ostmittel- und Südosteuropas die Ansprüche, als Marktwirtschaft betrachtet zu werden, wobei im Falle der drei schwächsten Länder, Albanien, Bosnien und Herzegowina und Kosovo, doch große Abstriche bezüglich der Funktionsfähigkeit und der Komplettierung der marktwirtschaftlichen Komponenten gemacht werden muss. Dieser und auch der zweiten Gruppe, deren Länder in der Bertelsmann-Studie BTI 2018 zwar als funktionierende Marktwirtschaften bezeichnet werden, ist gemeinsam, dass die Bekämpfung der erheblichen Korruption in den letzten Jahren nicht nur stagniert, sondern sich die Situation sogar verschlechterte: „The rankings of most Southeast and Central European countries declined in the last Gobal Corruption Perceptions Index“ von Tranparency International (2020). Diese Feststellung trifft besonders für die Länder in Südosteuropa einschließlich Ungarn zu, wobei als bestes Land noch Kroatien auf Platz 63 von 180 untersuchten Staaten rangiert. An zweiter Stelle steht Montenegro auf Platz 66, Ungarn folgt auf Platz 70 zusammen mit Rumänien. Bulgarien nimmt die 74. Stelle ein, Serbien ist auf Platz 91, Kosovo und Bosnien und Herzegowina belegen Platz 101, und Albanien findet sich zusammen mit Nordmazedonien auf dem schlechtesten Platz 106. Sicher ist Korruptionsanfälligkeit nicht das ausschlaggebende Merkmal, um eine Marktwirtschaft mit dem Prädikat sozial oder nicht zu versehen, doch darf es wohl als wichtige Komponente berücksichtigt werden. Ein finanzieller Ausgleich, der durch Korruption entsteht, berücksichtigt zu allerletzt die wirtschaftlich Schwachen der Gesellschaft, er verstärkt vielmehr eine Wohlstands-Ungleichheit auf eine Weise, die man eben als unsozial unter Verletzung grundsätzlicher Anstandsregeln bezeichnen muss. Damit kann beiden Untergruppen keinesfalls das Merkmal soziale Marktwirtschaft zugesprochen werden.

Deutlich differenzierter müsste man die erste Gruppe der sieben sogenannten entwickelten Marktwirtschaften betrachten, unter denen sich kein einziges südosteuropäisches Land findet! Betrachtet man auch hier hilfsweise das neueste Ranking im Korruptionsindex des Jahres 2019, dann führt Estland mit Platz 18 diese Gruppe deutlich an. Litauen und Slowenien sind bereits auf Platz 35, Polen nimmt Platz 41 ein, die Tschechische Republik ist zusammen mit Lettland auf Platz 44. Das Schlusslicht bildet die Slowakei auf Platz 59. Die Korrelation dieser Positionierung mit der allgemeinen Einordnung dieser sieben Länder als führende Gruppe der Marktwirtschaften Ostmittel- und Südosteuropas durch den Bertelsmann Transformation Index ist auffallend und berechtigt für diese Länder die Rückkehr zu der Eingangsfrage, ob man hier bereits von sozialen Marktwirtschaften sprechen kann. Das ausgewählte Beispiel Tschechische Republik mag unter Umständen zu einer positiven Aussage berechtigen, ob das aber auch für die übrigen Länder dieser Gruppe zutrifft, bleibt jedoch weiterhin fraglich, solange nicht jedes einzelne Land genauer untersucht wird. Aber damit kommt man auch zurück zu der Grundfrage, wo die Übergangsgrenzen zwischen einer lediglich funktionierenden Marktwirtschaft und einer sozialen Marktwirtschaft überhaupt zu finden sind.