Aus der Einleitung des Beitrags:

Wie alles anfing

16 Jahre Kohl-Regierungszeit hatten sich wie Mehltau auf das Land gelegt. „Die da unten“ hatten schließlich gemerkt, dass „die da oben“ sich für ihre Sorgen gar nicht mehr so richtig interessieren. Das Gespür für soziale Gerechtigkeit war den Regierenden abhanden gekommen. Wechselstimmung lag in der Luft. Der 27. September 1998 geriet zum Plebiszit über die Zukunftsaussichten einer Politik, die in den zurückliegenden Jahren Gerechtigkeitsziele massiv verletzte und den Kampf gegen Arbeitslosigkeit vernachlässigt hat. Die Gewerkschaften engagierten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten offensiv für den politischen Kurswechsel, indem sie auf die Versäumnisse der Regierungsarbeit hinwiesen und für die Teilnahme an der Bundestagswahl mobilisierten. Das diesbezügliche Engagement war eher von nüchternem Pragmatismus geprägt als von einer euphorischen Aufbruchstimmung. Klaus Zwickel, als IG-Metall Vorsitzender zu dieser Zeit die machtvollste Einzelstimme der Gewerkschaften, sah es so: „Von keiner Bundesregierung sind Wunder zu erwarten, auch nicht bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Doch gegenwärtig stimmt die gesamte Richtung der Politik nicht mehr. Der Kurswechsel muss deshalb sicherstellen, dass eine prinzipiell andere Politik auf die Tagesordnung kommt... Es gibt keine fertigen Drehbücher für eine andere Politik zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und zur Förderung von sozialer Gerechtigkeit. Doch sind heute schon viele Schritte absehbar, die in die richtige Richtung weisen. Sie müssen endlich engagiert gegangen werden“. Die Wähler und Förderer der rot-grünen Regierung trauten dem Trio Schröder, Lafontaine und Fischer zu, die richtige Schrittfolge zu mehr Beschäftigung und sozialer Gerechtigkeit herauszufinden. „Aufbruch und Erneuerung“ stand auf dem Koalitionsprogramm. Dass es keine Sieben-Meilen-Schritte werden sollten, hatte Gerhard Schröder schon mit dem Hinweis signalisiert, nicht alles anders, aber vieles besser machen zu wollen.