Klaus Karwat
183
pp. ·
19.80 EUR
(incl. VAT and Free shipping)
ISBN
978-3-7316-1483-8
(November 2021)
)
"Nachdem Joseph Huber, Raimund Dietz, Jürgen Kremer, Timm Gudehus und andere in den zurückliegenden Jahren ihre Plädoyers für eine Vollgeld-Reform veröffentlicht haben, liegt mit dem Buch "Schuldenfreies Geld" von Klaus Karwat nun eine weitere Publikation zu diesem Thema vor. Der Autor analysiert das gegenwärtige Geldsystem, deckt dessen Schwächen und Unzulänglichkeiten auf und leitet daraus die Notwendigkeit einer Reform der bestehenden Geldordnung ab. Diese müsste seiner Auffassung nach darauf abzielen, das System der zweistufigen kreditbasierten Geldschöpfung durch ein System "schuldenfreien Geldes" zu ersetzen.
Er stützt sich bei seinen Überlegungen auf eine Reihe von Vorarbeiten, unter anderem von Irving Fisher, und bettet seine Vorschläge in den Kontext monetärer Reformdebatten in Vergangenheit und Gegenwart ein. Bezeichnend für sein Vorgehen ist sein Verhältnis zur Schuldenproblematik: "In diesem Buch will ich versuchen, den ökonomischen Begriff 'Schulden' und seine Verknüpfung mit dem 'Geld' genau zu klären" (10). Der Begriff "Schulden" steht aber nicht nur im Fokus der Analyse; er bildet zugleich den eigentlichen Kern und theoretischen Anker der gesamten Darlegung. ...
Bei der Beschreibung des Entstehungsprozesses von Giralgeld folgt der Autor der von der Bank of England und der Deutschen Bundesbank zuletzt vorgenommenen Darstellung. Dies ist zu begrüßen, da nicht wenige Autoren in dieser Frage nach wie vor überholten Vorstellungen anhängen. Es gehört auch zu den Stärken des Buches, dass der Autor bemüht ist, alle ökonomischen Vorgänge, die hier eine Rolle spielen, buchhalterisch einfach und übersichtlich abzubilden. Zugleich aber stellt er die Eignung des Prinzips der doppelten Buchführung infrage, indem er von einem "Missbrauch des Systems" für die Geldschöpfung spricht (34ff.). In diesem Zusammenhang stößt der Leser auf ein Problem, das bisher noch kein Autor verstanden hat, definitiv zu klären. Gemeint ist die "Lücke", die durch die Aufkündigung der Goldbindung des US-Dollars 1971 theoretisch und praktisch entstanden ist. Karwat beschreibt das Problem der Loslösung der Währungen vom Gold, indem er darauf hinweist, dass "die Verbuchung von Geld als Verbindlichkeit in der Zentralbankbilanz" eine Deckung des Geldes vorspiegelt, die es tatsächlich nicht (mehr) gibt (40f.). Das für die Erklärung der Geldschöpfung seit Joseph A. Schumpeter immer wieder herangezogene "Nichts" schließt dies Lücke vielleicht logisch, nicht aber ökonomisch. Hierzu bedarf es anderer Erklärungen und weiterer Debatten, wofür das Buch einige Anregungen, aber keine Lösung liefert. Etwas kryptisch formuliert ist daher das Fazit: "Die Verknüpfung von Geld und Schulden ist kompliziert, intransparent und wird nur von ganz Wenigen richtig verstanden" (49). Wer diese "ganz Wenigen" sind, bleibt offen. Und ob die vom Autor angedachte Entwirrung der "unseligen Verknüpfung" (54) von Schulden und Geld etwas Substanzielles zur Lösung dieser Problematik beitragen kann, bleibt so lange eine offene Frage, bis sie durch die Praxis beantwortet ist. Insofern ist der Vorschlag zur Einführung eines "schuldenfreien Geldes" hypothetisch zu sehen, als ein möglicher Ausweg. Es gibt bisher darüber keine Gewissheit. Vielleicht ist es die Lösung. Vielleicht aber blockieren die in diesem Ansatz implizierte Verteufelung der Schulden und der Rekurs auf das Münzgeld als "Vorbild" für ein neues Geld (59) auch die Suche nach der richtigen Lösung!
Die folgenden Kapitel sind der Erläuterung und Propagierung des o.g. Vorschlags gewidmet. Dabei wird es immer dann problematisch, wenn der Autor für komplizierte und komplexe Sachverhalte "einfache" Lösungen anbietet. So plädiert er für "eine grundlegende Reform des Geldes durch eine einfache Umbuchung". Dabei würden alle bisherigen Verbindlichkeiten "gelöscht" werden und es würde ein "Einmalgewinn in Höhe der gesamten Giralgeldmenge" anfallen, der zur Tilgung der Staatsschulden eingesetzt werden könnte (70ff.). Dieser auf den ersten Blick zweifellos bestechende Gedanke wird von den Vollgeld-Reformern seit längerem immer wieder vorgetragen, argumentiert und propagiert. Leider aber ist es bisher nicht gelungen, die Fachwelt davon zu überzeugen und so etwas wie eine Massenwirksamkeit dieser Idee zu entfesseln. Ganz im Gegenteil: Die Zweifel an der theoretischen Stringenz und Praktikabilität des Konzepts sind trotz ausgebauter Argumentation nicht behoben und seine Protagonisten laufen Gefahr, trotz zutreffender Analysen, was die Dysfunktionalität des bestehenden Geldsystems anbetrifft, zu einer reformerischen Sekte zu werden, die von der scientific community ignoriert wird.
Dem wäre durch eine breite Debatte über das Vollgeld-Konzept entgegenzuwirken. Das vorliegende Buch fordert dazu heraus und bietet dafür eine hervorragende Grundlage.