Aus der Einleitung:

Die islamische Welt ist für die U.S.A. seit langer Zeit schon ein wichtiges Thema in außenpolitischen Dimensionen – genaugenommen bereits seit dem ersten Krieg, den die junge Nation aus eigenem Entschluss führte: der Tripoli-Kampagne von 1801 bis 1805. Damals ging es jedoch nicht um den Islam schlechthin, sondern um Handelsschifffahrt in seinem Einflussbereich. Die Konstellation wiederholte sich: seit dem Sturz des Mossadegh im Iran (1953) waren amerikanische Interventionen im islamischen Kulturraum gewöhnlich angeleitet durch Wahrung wirtschaftlicher Interessen, durch unterstellte Sicherheitsbelange Israels oder durch die Fronstellungen des Kalten Krieges. Die Wahl der Koalitionen war schwerlich durch Prinzipien geprägt: islamische Fundamentalisten (wie im sowjetisch okkupierten Afghanistan) galten temporär ebenso als nützliche Bündnispartner wie eher säkulare Tyrannen (wie Saddam Hussein bis zum 1. Golfkrieg).

Die islamische Welt erschien also weniger als religiöser Kulturraum, sondern als geostrategische Region. Ansatzweise mögen die Erfahrungen mit der Teheraner Geiselnahme 1979 daran etwas geändert haben, doch die zuvor genannten Beispiele einer wechselhaften Bezugnahme auf den politischen Islam erstrecken sich auch noch in die Zeit danach. Die Popularkultur hingegen reagierte: in Hollywood-Actionfilmen wurde ab den achtziger Jahren der muslimische (vornehmlich: arabische) Fanatiker zum gepflegten Schurken-Stereotyp, der mit der blonden, deutschen Bestie und dem stoppelbärtigen, kolumbianischen Drogenbaron gleichzog. Solche Symptome gerinnen aber kaum zu einem geschlossenen „Feinbild“, sie signalisierten allenfalls die Geläufigkeit von Klischees, derer sich Medien opportunistisch bedienen. Eine explizite Auseinandersetzung mit dem Islam als vermuteter Grundlage des Fanatismus wird man in der Popularkultur der achtziger Jahre ebenso selten antreffen wie in der U.S.-Außenpolitik derselben Zeit.

Eine derart relativierende Einschätzung fällt nach dem 11. September 2001 bekanntlich schwerer. Gerade die Regelmäßigkeit, in der führende Politiker bis hinauf zum Präsidenten sich veranlasst sehen zu erklären, nicht mit dem Islam an sich seien die U.S.A. in einem Kampfe verwickelt, signalisiert nur, dass hier ein schwerwiegendes Deutungsproblem liegt. Dieses Problem tritt nicht allein als Darstellungsaufgabe gegenüber einer feindseligen Öffentlichkeit in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit auf, es strahlt auch zurück auf Konfliktlinien im Inneren der U.S.A. Während Ereignisse wie der Yom-Kippur-Krieg und der damit verbundene Erdöl-Boykott noch dazu einluden, die Positionierung der U.S.A. als eine Auseinandersetzung mit der arabischen Welt zu interpretieren, haben die letzten Jahre die religiöse Interpretation vor die geographische geschoben und damit die Grenze zwischen Außen- und Innenpolitik durchlässiger gemacht. Wenn die externen Sicherheitsbelange nicht mehr auf präzis lokalisierbare Staaten und Befreiungsbewegungen zuschreibbar sind, sondern scheinbar in einer global präsenten Religion sich manifestieren, dann sind potentiell die Erscheinungen dieses Glaubens an jeglichen Orten eine Gefahrenquelle. Die Reaktionen auf den Anschlag von Oklahoma City im Jahre 1995 belegten bereits einen solchen Reflex. Das Verbrechen, das sich hernach als Tat weißer Amerikaner mit rechtsextremem Hintergrund erwies, wurde in den ersten Reaktionen durch Medien, einzelne Politiker und in abgefragten Meinungsbekundungen umstandslos dem arabischen Terrorismus zugeschrieben. Es kam auch zu Verhaftungen in diesem Geiste: da sie aber vor allem sich auf Ein- und Ausreisende an Flughäfen richteten, zeigten sie noch eine Fixierung auf die Bedrohung als eine „importierte“ an. Allerdings gehören die Vorkommnisse bereits in eine Reihe administrativer Ausgrenzungen, die zu dem etwas dubiosen Image der Clinton-Präsidentschaft in dieser Hinsicht beitrug. Die Fixierung der kritischen Publizistik diesseits und jenseits des Atlantiks hat nämlich dazu beigetragen, dass der Abbau rechtsstaatlicher Garantien gegenüber als feindlich eingestuften Gruppen fälschlich erst ab den Reaktionen auf den 11. September 2001 und dem Wirken des republikanischen Justizminister Ashcroft datiert wird. Die einschlägigen Aktivitäten der Clinton-Administration erscheinen vor diesem Hintergrund in einem zu liberalen Licht.