408 pp.
19.80 EUR
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ISBN 978-3-89518-290-7
Der Wandel von der Protestbewegung zur Regierungspartei prägt die aktuelle öffentliche Auseinandersetzung um grüne Politik. Gleichzeitig findet jedoch eine Fortentwicklung grüner Politikkonzepte statt, die bemerkenswert ist. So orientieren sich die Grünen bei der Formulierung einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft immer stärker an dem wirtschaftspolitischen Leitbild der Ordnungsökonomik. Und auch dieses hat sich gewandelt: Durch die Berücksichtigung ökologischer Fragestellungen wurde die Ordnungsökonomik erst für die wirtschaftspolitische Konzeption einer Partei interessant, die sich der ökonomischen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit verpflichtet fühlt.
Die Beiträge führender Vertreter ordnungsökonomischen Denkens und wesentlicher wirtschafts- und finanzpolitischen Akteure der Grünen in diesem Buch, die auf eine wirtschaftspolitische Fachtagung des Walter Eucken Instituts und der Heinrich Böll Stiftung zurückgehen, spiegeln die spannende Auseinandersetzung um geeignete wirtschaftspolitische Leitlinien und Konzepte der Grünen wider. Dabei werden erstaunliche Übereinstimmungen sichtbar, sowohl in der generellen wirtschafts- und finanzpolitischen Konzeption als auch in einzelnen Fachgebieten, so in der Wettbewerbs- und Strukturpolitik, den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, der Steuer- und Finanzpolitik, der Arbeitsmarktpolitik und den föderalen Finanzbeziehungen.
So könnte, über 50 Jahre nach der ordnungsökonomisch inspirierten und gestalteten Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, wiederum die Ordnungsökonomik prägend werden für die Wirtschaftspolitik in Deutschland: als "grüne Ordnungsökonomik" bei der Ökologisierung der Sozialen Marktwirtschaft.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Geleitwort
Einführung
Ordnungspolitisch sind die Grünen eine schwer zu durchschauende Zwitterpartei. Allein ihre historische Daseinsberechtigung, der axiomatisch wertende, streng ökologische Politikansatz, läßt einerseits nicht gerade auf eine liberale Grundhaltung hoffen. Andererseits jedoch verblüfft der kleine Koalitionspartner in Berlin immer wieder mit Politikvorschlägen, die sich häufig - beispielsweise in der Rentendebatte - im Gegensatz zu manch anderen nicht nur dadurch auszeichnen, daß sie schlicht vernünftig und wirtschaftlich solide sind, sondern auch dadurch, daß sie die Selbstregulierung von Markt und Wettbewerb dem direkten Staatseingriff vorzuziehen scheinen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die wichtige, aktuelle und dennoch grundsätzliche Frage, der Teilnehmer aus grüner Politik und liberaler Wissenschaft auf einer gemeinsam vom Walter Eucken Institut und der Heinrich Böll Stiftung ausgerichteten Tagung nachgegangen sind: "Passen grüne Politik und Ordoliberalismus zusammen?" Die anregende, kontroverse Diskussion über diese Frage kann man nun in dem Tagungsband nachvollziehen, den Lüder Gerken, Direktor des Walter Eucken Instituts, und sein Mitarbeiter Gerhard Schick (zugleich Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen der Grünen in Baden Württemberg) herausgegeben haben. ......
Weniger verbindlich urteilt dagegen Roland Vaubel. Mit seiner "Liebeserklärung an die Idee eines grünen Individualismus" liefert er dabei nicht nur den originellsten, sondern auch stichhaltigsten Beitrag des Buches. Aus dem Programm der Grünen zur Bundestagswahl 1998, den Politischen Grundsätzen von 1993 und dem Bundesprogramm von 1980 sammelt Vaubel zehn Stichpunkte, die für eine Vereinbarkeit der grünen Programmatik mit ordoliberalen Grundsätzen sprechen: Freiheit des Individuums, Verantwortung des einzelnen, Schutz der Minderheiten, strikte Kontrolle staatlicher Macht, Dezentralisierung, mehr direkte Demokratie, Zurückdrängung der Interessenverbände, Wettbewerb Wahlfreiheit und Innovation, Stetigkeit der Wirtschaftspolitik und offene Gesellschaft. All dies, schreibt Vaubel, seien Grundsätze, die das Herz des Individualisten höher schlagen ließen. 'Wären diese Grundsätze alles, was ich über die Grünen wüßte, ich könnte sagen: ,Ich bin ein Grüner.'' Doch dann listet Vaubel in weiteren zehn Punkten alles auf, was unter dem Gesichtspunkt des liberalen Respekts vor dem Individuum an den konkreten, zum Teil verwirklichten Politikvorschlägen der Grünen zu bemängeln ist. Darunter finden sich: 'platter Zwang', 'massive Einschränkung der Vertragsfreiheit' und ein Widerspruch zum Prinzip der Selbstverantwortung. ...
Vaubel entlarvt den 'grünen Individualismus' somit als eine schlichte Maske. Vieles in der grünen Programmatik erinnere an den Philosophen Jean Jacques Rousseau - nicht nur der Ruf 'Zurück zur Natur', sondern auch derselbe Grundwiderspruch: 'Die freie Entfaltung wird auf die politische Partizipation, der Bürger auf den Wahlbürger reduziert. Man traut der Mehrheit, aber nicht dem einzelnen.' Vaubels abschließendes Urteil ist so schlüssig wie vernichtend: Nach seiner Auffassung werden die Grünen 'immer die Partei der mehr oder weniger jungen Sozialisten sein - basisinnovativ und umweltbewußt, aber keineswegs widerspruchsfrei und letztlich vor allem kollektivistisch.'"