"Postkeynesianische Ökonomie" · volume 4
2. Auflage mit neuem Nachwort Dezember 2007
244 pp.
19.80 EUR
(incl. VAT and Free shipping)
ISBN 978-3-89518-656-1
Nach wie vor bietet Keynessches Gedankengut Stoff für Kontroversen. Doch geht es Minsky weniger darum, "was Keynes wirklich sagte". Sein Anliegen ist vielmehr, die zu Unrecht vernachlässigten monetären Aspekte der Keynesschen Theorie bei der Entwicklung einer Theorie zu nutzen, die das Funktionieren des modernen Kapitalismus besser erklärt als der IS-LM-Keynesianismus.
Minsky betont hierbei die erwartungsbedingt instabilen Vermögenshaltungen sowie Kreditbeziehungen von Haushalten, Unternehmen und Banken in einem Kapitalismus mit hochentwickelten Finanzinstitutionen. "Das relevante Paradigma für die Analyse einer kapitalistischen Wirtschaft ist nicht die Warentausch-Wirtschaft: Das relevante Paradigma ist ein System mit Börsen wie einer City oder einer Wall Street, wo die Haltung von Vermögenswerten ebenso wie laufende Transaktionen mittels Verschuldung finanziert werden."
Gerade die letzten Jahre mit ihren Börsenturbulenzen, Verschuldungskrisen, der zunehmenden Bedeutung von Finanzinvestitionen usw. verdeutlichen die Relevanz einer Analyse, die die systematische Betrachtung der Geld- und Finanzsphäre in den Vordergrund stellt. [der Vorstellungstext ist aus dem Sommer 1990]
"... Eine Kapitalismus-Debatte hat erst begonnen, auch in der Wirtschaftswissenschaft, wo die vorherrschende Modellgläubigkeit infrage gestellt wird. Vergessene Denkschulen erleben eine Renaissance. Dazu gehört auch die Lehre von Hyman Minsky, der in seinen Schriften die Sorglosigkeit im Umgang mit Risiken schon früh auf die Finanzwirtschaft übertragen hat - und der Politikern mit diesem Denksansatz viele Diskussionen ersparen könnte. ...
Rückblickend konnte der 1996 verstorbene Ökonom das heutige Elend vortrefflich vorhersehen. Minsky sagt, dass Schuldner im Aufschwung immer sorgloser und höhere Kredite aufnehmen. Gleichzeitig würden Gläubiger immer leichtsinniger Geld [ver]leihen und auf Sicherheiten verzichten. Minskys These: Je länger ein Finanzsystem stabil ist, desto instabiler wird es. Irgendwann kommt dann die Verkaufspanik, der "Minsky-Moment". ...
Minsky war Professor für Ökonomie an der Washington University in St. Louis, studiert hat er bei Joseph Schumpeter in Harvard. Zu Lebzeiten waren seine Analysen nicht populär, denn er sprach sich für Regulierung, gegen hohe Verschuldung und für staatliche Interventionen aus. "Am Ende einer Euphorie locken Banken die Investoren in innovative Kreditprodukte mit wenig Substanz", schrieb er, was sich hervorragend übertragen lässt auf die verpackten US-Häuserkredite schlechter Qualität, die das Finanzsystem in die Krise stürzten. Doch so düstere Prognosen wollte zu Hochzeiten der Liberalisierung in den letzten 20 Jahren keiner hören.
Ökonomen waren überzeugt, dass die Finanzmärkte effizient sind. Doch in der Effizienztheorie bleibt das irrationale Verhalten der Marktteilnehmer ausgeblendet. Wenn etwas funktioniert, dann machen es immer mehr Leute nach - unter immer extremeren Bedingungen - bis es nicht mehr funktioniert. Damit, so Minsky, trage der Kapitalismus die Instabilität systembedingt in sich.
Minksy war zu Lebzeiten ein Außenseiter in einer zunehmend von liberalen Ideen geprägten Zeit. Aus einer russischen Familie stammend, studierte er in Harvard bei Joseph Schumpeter, dessen Idee des wirtschaftlichen Fortschritts durch kreative Zerstörung er auf die Finnazbranche anwandte. ...
Ansonsten war Minksy vor allem durch den berühmten Ökonomen John Maynard Keynes geprägt, über dessen Theorie er ein auch in deutscher Sprache erhältliches Buch (John Maynard Keynes, Marburg 1990) verfasste. Wie der Brite glaubte auch Minsky nicht an die von den Liberalen beschworenen Selbstheilungskräfte des Marktes, sondern an die Notwendigkeit von Staatseingriffen. Finanzkrisen hielt der Amerikaner entgegen der Mehrheitsmeinung in der Ökonomie für ganz normale Ausprägungen eines grundsätzlich zur Instabilität neigenden Kapitalismus.
Minskys Krisentheorie sieht so aus: In langen Zeiten wirtschaftlichen Wachstums verlieren Banken, Unternehmen und Konsumenten das Gefühl für Risiko und beginnen, von der Gier nach immer höheren Gewinnen getrieben, sich immer mehr in gewagte Finanzierungen zu stürzen. Unterstützt wird diese Neigung nicht nur durch einen Herdentreib, sondern auch durch den unerbittlichen Wettbewerb zwischen den Banken, der zur Erfindng neuer Finanzprodukte beiträgt und zu Versuchen der Banken, herrschende Regulierungen zu umgehen. Die Finanzmärkte beginnen in dieser Phase, heiß zu laufen, ohne dass die Brisanz der Lage deutlich würde. Daueroptimisten melden sich zu Worte, typischerweise mit Äußerungen wie "Es gibt keinen Konjunkturzyklus mehr. Von jetzt an wird die Wirtschaft ohne Pause wachsen." Im Boom der "Neuen Ökonomie" waren solche Prognosen sogar von gewöhnlich ernstzunehmenden Ökonomen zu hören gewesen. ...
Das Ende der Party kann dann ein eigentlich nebensächliches Ereignis auslösen, das die gesamte Finanzbranche in eine Krise stürzt. Als "Minsky-Moment" bezeichnet man eine Phase, in der Kreditgeber äußert vorsichtig mit neuen Ausleihungen werden und in der Folge nicht nur wirtschaftliche schwache, sondern auch eigentlich solide Finanzhäuser beginnen in Schwierigkeiten zu geraten. ..."1750 Dollar für ein uraltes Werk über die Volkswirtschaft: Angesichts der Finanzkrise klammern sich die US-Manager an jeden Strohhalm und entdecken vermeintlich verstaubte Theorien wieder. So wurde nun ein eher linker US-Ökonom und erklärter Kapitalismuskritiker zum neuen Held der Finanzhaie. Während an den amerikanischen Börsen die Preis-Rallye beendet ist, sorgt der aktuelle Einbruch an den weltweiten Finanzmärkten für eine absurde Rallye am Markt für gebrauchte Bücher. Das Objekt der Begierde ist schwarz und trägt einen schlichten, etwas dünn anmutenden Leineneinband. Der Titel ist so sperrig, wie der Name des Autors: "Stabilizing an unstabel economy" von Hyman Minsky. Trotzdem werden bei Amazon einzelne Exemplare des Werkes für bis zu 1750 Dollar angeboten [inzwischen 2047 Euro - 1.9.2007). ...
Das alles hat Minsky in seinem Buch sauber aus geschichtlichen Beobachtungen und der volkswirtschaftlichen Theorie von John Maynard Keynes hergeleitet, dessen glühender Anhänger er war. Mit 20 Jahren Verspätung finden seine Ideen nun Eingang in die reale Finanzwelt. Man kann sich gut vorstellen, wie der Hype um das trockene Lehrbuch mit den dürren Grafiken und langen Tabellen entstanden ist: Panische Finanzmanager, die Stunde um Stunde neue Millionenverluste entdecken, hören vom weisen Buch des Mr. Minsky. Sie hetzen Assistenten los, um es zu besorgen. Sofort. Es ist ein neuer Hype, dem sie hinterherlaufen. Und ein billiger noch dazu: Was sind schon die paar Tausend Dollar im Vergleich zu den Summen, die auf dem Spiel stehen. ... Minskys Ideen sind eigentlich ziemlich simpel: Sie besagen, dass in einer langen, stabilen Aufschwungphase der Weltwirtschaft - und damit auch der Finanzmärkte - die professionellen Anleger immer mutiger werden. Auf der Jagd nach Rendite verschulden sie sich höher und höher und gehen größere Risiken ein, ohne sich dabei ausreichend abzusichern. Motto: Es wird schon weiter aufwärts gehen. Sie ignorieren dabei getrieben durch ihre Gier den gesunden Menschenverstand, der sagt: Nichts dauert ewig.
Irgendwann kippt jeder Markt, weil die Investitionen nicht mehr genügend Ertrag bringen, um die steigenden Zinslasten zu zahlen. Darauf kündigen nach Minskys Theorie die Gläubiger die Kredite und zwingen die Investoren auch ihre weniger riskanten Investitionen schnell zu Geld zu machen, um sie auszuzahlen. Das ist der Minsky-Moment, bei dem durch hektische Verkäufe von allem, was noch etwas wert ist, selbst sichere Anlagen in den Abwärtsstrudel gezogen werden. Dadurch werden weitere Werte vernichtet, weitere Kredite werden Not leidend, weil die geliehenen Summen nicht mehr durch den Anlagewert gedeckt sind. Die Schuldner müssen nachschießen - und verkaufen weiter. Obwohl Minskys Theorie so einfach und logisch erscheint, wurde sie Jahrzehnte lang vom Mainstream der US-Ökonomen eher belächelt: Sie glaubten an die Kraft der Märkte, die das Risiko im Griff halten würde."