464 pp.
26.80 EUR
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ISBN 978-3-89518-407-9
Werner Sombart gilt als einer der einflussreichsten deutschen Sozialwissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Arbeiten zur Entwicklung des modernen Kapitalismus haben maßgeblich zur Etablierung des Kapitalismusbegriffs in der sozialwissenschaftlichen Diskussion beigetragen, und auf diese Weise zeitgenössische Sozialökonomen wie Max Weber und Joseph Schumpeter nachhaltig beeinflusst. In diesem Sinne werden Sombarts Schriften als Höhepunkt einer aus der Tradition der historischen Schule herkommenden Strömung deutschsprachiger Nationalökonomie bewertet. Mit der Herausgabe einer Sammlung von Sombarts kapitalismustheoretischen Aufsätzen wird das konzeptionelle Fundament seines Ansatzes erstmals in konzentrierter Form aufbereitet. Die Schriftensammlung enthält eine werkgeschichtlich geordnete Zusammenstellung thematisch fokusierter Beiträge, die Sombarts Auseinandersetzung mit der Problematik wirtschaftlicher Entwicklung spiegeln. Dabei sucht Sombarts Fragestellung die historische Besonderheit des modernen Kapitalismus herauszustellen, indem dessen spezifische Ausgangsbedingungen, Entwicklungsformen und Perspektiven untersucht werden. Das entsprechend formulierte Konzept des Wirtschaftssystems dient zur Erfassung jener Kombination aus handlungsleitender Motivation, institutioneller Ordnung sowie technologischer Dynamik Sombarts konzeptioneller Trias aus Geist, Ordnung und Technik die als Charakteristikum einer historischen Wirtschaftsformation zu identifizieren ist. Die konkrete Ausarbeitung dieser Kombination für den Fall des kapitalistischen Wirtschaftssystems konstituiert den analytischen Kern von Sombarts Forschungsprogramm. Die dementsprechend ausgewählten Schriften umfassen eine Themenpalette, die neben der Charakterisierung des modernen Kapitalismus und dem Konzept des Wirtschaftssystems auch spezifischere Einzelthemen enthalten, wie Sombarts Auseinandersetzung mit der Marxschen Theorie, seine Krisen- und Konjunkturtheorie, und seine Theorie des Unternehmertums. Dies wird von methodologischen und kulturkritischen Reflexionen ergänzt.
Nationalökonomie als Kapitalismustheorie: Sombarts Theorie kapitalistischer Entwicklung (Alexander Ebner)
Werner Sombart ein werkbiographischer Überblick (Helge Peukert)
Editorische Vorbemerkung
1. Ideale der Sozialpolitik
2. Der Stil des modernen Wirtschaftslebens
3. Versuch einer Systematik der Wirtschaftskrisen
4. Karl Marx und die soziale Wissenschaft
5. Der kapitalistische Unternehmer
6. Technik und Kultur
7. Die Ordnung des Wirtschaftslebens
8. Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus
9. Nationalökonomie. Ein Überblick
10. Die Zukunft des Kapitalismus
"... Sombart mutierte im Laufe seiner Entwicklung von einem Hoffnungsträger der deutschen Sozialdemokratie zum Ideenspender eines romantisierenden Antikapitalismus bzw. nationalen 'Sozialismus'. Diese Kontinuität aus Antikapitalismus und Antiliberalismus läßt sich bis zum Ende verfolgen, bis hin zu seiner späten Wandlung von einem Modernisierer zum Anhänger eines kulturkritischen Antimodernismus und Kulturpessimismus. Indem Sombart alle diese Wendungen in seinem Werk, seiner Methode und seinen Themen, mit vollzog, ist er ein interessanter Zeitzeuge wissenschaftlicher Entwicklung wie theoretischer Verirrungen.
Was ihn heute wieder 'in' sein läßt, ist jedoch noch etwas anderes. Es ist die Krise des wirtschaftswissenschaftlichen mainstreams angesichts der Grenzen der Erklärungskraft mathematischer Modelle. Mit Sombart läßt sich zeigen, welche Entwicklungspfade zum heutigen Kapitalismus geführt haben und welche Optionen es dabei früher gab und heute gibt. Dabei diente ihm das Marxsche Werk durchweg als 'kritischer Bezugspunkt' - eine Möglichkeit des theoretischen Arbeitens, die heute gänzlich aus der Mode gekommen zu sein scheint, was eher auf Ignoranz schließen läßt denn auf eine theoretische Entwicklung. ... Nicht weniger anschaulich ist sein Text über 'kapitalistische Unternehmer', worin wir zum Beispiel lesen, was ein Unternehmer ist: 'Das ist ein Mann, der eine Aufgabe zu erfüllen hat und dieser Erfüllung sein Leben opfert ... Ein Mann also mit langausschauendem Sachinteresse, dessen einzelne Handlungen immer im Hinblick auf das zu bewältigende Gesamtwerk geplant und ausgeführt werden ... er muß geschäftlich zuverlässig, ... pflichttreu, ordnungsliebend und sparsam sein ... Es sind Männer - ausgerüstet vor allem mit einer außergewöhnlichen Vitalität, aus der ein übernormaler Betätigungsdrang, eine leidenschaftliche Freude an der Arbeit ... hervorquellen.' (S. 191, 209). Über die Aktualität dieser Passagen läßt sich angesichts heutigen Unternehmertums sicher streiten, wobei die dabei sichtbar werdende Differenz zwischen Ideal und Wirklichkeit einen historischen Entwicklungs- und Verfallsprozeß offenbart, wie er eindrucksvoller kaum gezeichnet werden könnte - es sei denn, man zitiert aus Gerichtsprotokollen.
Der ans Ende gesetzte Aufsatz stammt aus dem Jahr 1932 bzw. 1937 und beschäftigt sich mit der 'Zukunft des Kapitalismus'. Er enthält die Vision des Autors von einer 'moderat planwirtschaftlich-autarkistischen Wirtschaft' als Alternative zum Kommunismus. Hier verabschiedet sich Sombart von der Vorstellung, die Wirtschaft folge mit Notwendigkeit einer gesetzmäßigen Entwicklung. Vielmehr sei ihre Gestaltung ein reines 'Willensproblem' (S. 439), woraus sich ableitet, daß sie nur als 'Planwirtschaft' möglich ist. Dies gelte national wie im Weltmaßstab. Interessanterweise rekurriert er in diesem Zusammenhang und um die Probleme einer kapitalistisch verfaßten Ökonomie im 20. Jahrhundert aufzuzeigen, wiederholt auf Marx Theorie vom absoluten und relativen Mehrwert sowie auf das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate (S. 456 ff.). Es lohnt sich allemal, diese Ausführungen vor dem historischen wie aktuellen Hintergrund zu lesen und sich darüber zu ergehen, wie eng doch so manche Konzepte beieinander liegen, wenn man von ihren ideologischen Verpackungen in der Lage ist zu abstrahieren."