Aus der Einleitung des Beitrags:

Die Politiker der griechischen Polis und die römischen Cäsaren haben sich von ihren Priestern und Philosophen beraten lassen, die mittelalterlichen Kaiser von cleveren Klerikern ? und der ein oder andere Potentat in Okzident und Orient auch von klugen Kurtisanen. Machiavelli hat das Beratungswesen als erster theoretisch durchdrungen und hoffähig gemacht. In den USA ist es seit langem etabliert. Doch auch in Deutschland tut sich mittlerweile was rund ums politische Handwerk und die Regierungskunst.

In Berlin expandiert der Consultingmarkt und entwickelt unübersehbar Züge einer bubble-economy. Die klassischen Beratungsgremien der Außen-, Wirtschafts- oder Umweltpolitik, die etablierten Experten aus einigen wirtschafts-, rechts- und sozialwissenschaftlichen Hochschulinstituten und die traditionelle Werbebranche bekommen Konkurrenz. Eine neue Szene macht sich breit. Kommunikations- und Imageberater, Public-Affairs-, Political-Affairs-, Public-Sector-Consulting-Agenturen sprießen aus dem Boden. Zwar will kaum einer der gestylten Youngster beiderlei Geschlechts, die die einschlägigen Berliner Meetings füllen, noch in die Politik, war in der Politik oder weiß Wesentliches über sie ? aber beraten wollen sie alle. Amt und Mandat sind out, Beratung ist in. Auch die Unternehmensberater haben den neuen Markt entdeckt und drängen ins Geschäft mit der öffentlichen Hand. Vor allem aber wuchert die Wirtschaftslobby im Berliner Treibhaus. Neben den klassischen Verbänden mit fester Repräsentanz in Berlin treten immer mehr Konzernlobbyisten auf, die Ex-Minister und MdB a. D. mit den intimen Kenntnissen, die sich nach Karriereende bei renommierten Unternehmen als Türöffner und Wegfreimacher verdingen. Immer mehr Firmen engagieren für ihre Sonderanliegen professionelle Unterstützung. Weit gehend unbemerkt schalten sich zunehmend auch große Anwaltskanzleien ins Lobbymetier ein. Viele dieser neuen Lobbyisten nennen sich Politikberater, die Grenzen zwischen Beratung und Lobbying verschwimmen. Zu den Tipps und Tricks für Lobbyisten gehört, der Politik zu suggerieren, die gezielte Information in interessierter Absicht sei eine gemeinwohlorientierte Dienstleistung. Beratung wird zur Tarnkappe des Lobbyismus.

Die neue Berliner Betriebsamkeit hat allerdings unerwartete Folgen. Die Öffentlichkeit macht nicht mehr nur die Politik verantwortlich für alles, was misslingt oder nichts bewirkt. Ins Gerede kommt nun auch ein Gewerbe, das lange vom Wirken und Werkeln unterhalb der Wahrnehmungsschwelle lebte. Prinzen der Dunkelheit wurden diverse graue Emi¬nenzen tituliert. Doch statt dezent im Hintergrund zu Diensten zu bleiben, erregt die Politikberatung zunehmend Aufmerksamkeit. Einige Professoren, prominente Berater und Kommissionsvorsitzenden drängen in die Öffentlichkeit, oft mit dem Gestus, nicht nur gute Berater sondern die besseren Politiker zu sein. Aber nicht nur deshalb wird die Politikberatung Gegenstand politischer Kontroversen, untersuchen Bundestag und Bundesrechnungshof die Beratungsausgaben der Regierung. So wie an der politischen Klasse wachsen die Zweifel der Bürger auch an der undurchsichtigen Beraterkaste. Denn trotz höherer Drehzahl produziert das Treiben nämlich anscheinend nichts, was jedermann eindeutig und auf Anhieb als bessere Politik, mehr Gemeinwohl, mehr Lebensqualität oder Gerechtigkeit identifizieren könnte. Der ganze Aufwand an Kommissionen, Studien und Berichten, um Politik vorzubereiten, und an Werbespots, Anzeigen und Slogans, um sie zu erklären, steht in merkwürdigem Missverhältnis zur Qualität des politischen Outputs. Hinter jeder Kritik an der Politik lauert daher mittlerweile auch die Frage: Wer berät die eigentlich? Wer hat ? nur als Beispiel ? die Regierung bei ihrer Kommunikation zu Hartz IV beraten? Und bei der Feiertagskommunikation? Oder die Opposition bei der Gesundheitsreform? Die Kritik an der Politik nährt die Zweifel an den Beratern.

Wird aus der Politikberatung eine zusätzliche Belastung der Politik? Oder mausert sie sich zur unverzichtbaren Dienstleistung? Was sie leisten sollte und tatsächlich leistet, ist am identifizierbaren Problemdruck und am abschätzbaren ebenso wie am artikulierten Beratungsbedarf der politischen Klasse zu messen.