397 pp.
24.80 EUR
(incl. VAT and Free shipping)
ISBN 978-3-7316-1384-8
In einer Demokratie soll über Ökonomie gesprochen werden. Wer aber mitreden oder auch nur genau hinhören will, benötigt Verständnis für ökonomische Zusammenhänge. Was sind die Vorteile der Marktwirtschaft? Geht es ganz ohne Staat? Wovon hängt Wirtschaftswachstum ab? Gibt es Grenzen dafür? Welche Funktionen haben Finanzmärkte und gehen von ihnen Gefahren für die Stabilität aus? Was kann gegen Arbeitslosigkeit getan werden?
Bei all diesen Fragen gibt es unterschiedliche Positionen, die zu unterschiedlichen Vorschlägen für die Politik führen. Tatsächlich gibt es für jeden Vorschlag in der Wirtschaftspolitik qualifizierte Ökonomen und Ökonominnen, die ihn befürworten, und andere, die ihn ablehnen. Beide Seiten haben theoretisch fundierte Argumente. Wieso können diese Widersprüche nicht geklärt werden? Führen unterschiedliche Theorien zu unterschiedlichen Vorschlägen? Oder sind die Unterschiede Ausdruck vorgefasster unterschiedlicher Meinungen?
Gezeigt wird in dem Buch, dass es ein weitgehend anerkanntes Theoriegebäude der Ökonomie gibt. Es liefert zwar nicht präzise Anleitungen für die Planung von Politik, aber es bietet Instrumente für die Diskussion politischer Maßnahmen. Grundlegende Elemente dieser Theorie werden hier dargelegt und an Beispielen illustriert. Das Buch wendet sich an Leser und Leserinnen, die die Berichterstattung über Wirtschaftspolitik verfolgen, aber Ökonomie nicht studiert haben.
Rosner lässt gelegentlich erkennen, dass ihm die Defizite und offenen Flanken der herrschenden Wirtschaftswissenschaft nicht ganz unbekannt sind, hat sich insgesamt aber dennoch entschlossen, ein Buch vorzulegen, das Vorbehalte hintan stellt und dem Nicht-Ökonomen einen möglichst einfachen Einstieg in gerade diese vorherrschende Ökonomie und ihre Konzepte erlauben soll. Und er wirbt entschieden dafür, sich damit zu beschäftigen, um sich ernsthaft an wirtschaftspolitischen Diskussionen beteiligen zu können. ...
Angesichts der Flut populärwissenschaftlicher Schriften zu wirtschaftlichen Fragen von Verfassern, die eher durch marktschreierische Behauptungen als durch überzeugende Argumente und solide Kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge ihr Publikum zu gewinnen versuchen, ist ein fundiertes Buch wie das vorliegende durchaus zu begrüßen. Etwas mehr Kritik am Mainstream und mehr Kredit für alternative Ansätze hätten der Absicht des Verfassers freilich nicht geschadet.
Peter Rosner hat ein Werk vorgelegt, das Denkweisen, Einsichten und Errungenschaften der modernen Ökonomik auf allgemein verständliche Art zusammenfasst. Anspruchsvolle ökonomische Konzepte und Zusammenhänge werden auf intuitiv zugängliche Weise erklärt. Wo es darauf ankommt, fehlt es dennoch nicht an der wünschenswerten Sorgfalt und Präzision. Aufgrund dieser Meriten dürfte das Buch einen hohen Gebrauchswert haben. Es gibt einige potenzielle Zielgruppen, denen dieses gut geschriebene Buch besonders zu empfehlen wäre. Gemeint sind vor allem drei Gruppen:
1.) Nicht-Fachleute (seien es Wissenschaftlerinnen aus anderen Disziplinen, seien es Akteure aus der wirtschaftspolitischen Praxis oder seien es interessierte Staatsbürgerinnen), die durch Rosners Buch mit relativ wenig Aufwand einen authentischen Einblick in die Konzepte und Methoden der Ökonomie als wissenschaftlicher Disziplin gewinnen können.
2.) Jene Kritiker der Wirtschaftswissenschaft, die glauben, die an den Universitäten gelehrte Ökonomik sei samt und sonders eine wissenschaftlich bemäntelte Apologetik des Markts und der herrschenden Verhältnisse. Im Gegensatz dazu zeigt Rosner, dass die Ökonomie durchaus auch dazu geeignet ist, aufgeklärte Reformpolitik zu fundieren - und dass die in der Ökonomik entwickelten Instrumente durchaus auch für Ziele wie Armutsbekämpfung verwendet werden können, wie das Werk der Ökonomie-Nobelpreisträgerinnen 2019 illustriert.
3.) Jene Verächter der herrschenden akademischen Ökonomik, die meinen, diese sei aufgrund ihrer abstrakten Modellierungen irrelevant im Hinblick auf die Lösung praktischer Probleme. Ihnen bietet das Buch ein differenziertes Bild dessen, auf welchen Ebenen die Ökonomik praktisch nützlich ist, und zwar in erster Linie als Rahmen für vernünftige Diskurse angesichts politisch kontroverser Ziele.
Der Buchtitel "Reden wir über Ökonomie" führt in diesem Sinn zum unausgesprochenen Leitmotiv des Buchs "Lernen wir, über wirtschaftspolitische Probleme in der Sprache der Ökonomie zu reden". Gemeint ist: Nutzen wir die Wirtschaftswissenschaften als präzisere diskursive Grundlage für wirtschaftspolitische Kontroversen. Rosner zeigt dabei, dass die Sprache der Ökonomie nicht aus einer Anhäufung schwer verständlicher Termini bestehen muss. Die Kenntnis einer überschaubaren Anzahl an Konzepten und Zusammenhängen würde genügen, um das Niveau und die Lösungsorientierung wirtschaftspolitischer Debatten zu heben, weil eine solche Kenntnis dazu beitrüge, (1) gewisse Zusammenhänge außer Streit zu stellen, (2) die Geltungsbedingungen für bestimmte Behauptungen präziser zu benennen und (3) zirkuläre Kontroversen abzukürzen.
Unübersehbar ist hierbei ein Umstand, der mit Blick auf den Buchtitel fast als Paradoxon gelten könnte: Nicht allzu viele professionelle Ökonomen können wirklich gut über Ökonomie reden. Umso verdienstvoller ist Rosners Versuch, die Sprache als Medium der Ökonomie zu beleben. Sein Buch trägt nicht nur zur Ausbildung eines Fundaments im Verständnis dessen bei, worum es in der modernen Ökonomik geht. Er adressiert typische Missverständnisse und gibt einen vorzüglichen Einblick in typische Herangehensweisen heutiger Ökonomen - und zwar ganz ohne mathematische und terminologische Schwierigkeiten. Dies ist die wichtigste Leistung dieses Buchs - und es ist keine geringe Leistung.
Die Erörterung des Arbeitsmarkts illustriert dieses Vorgehen. Ausgehend von einem sehr einfachen Marktmodell wird in einem dreistufigen Verfahren "ein bisschen Realismus", "mehr Realismus" und "noch mehr Realismus" eingeführt. Die Plausibilität des in der Wirtschaftswissenschaft immer wieder propagierten Verfahrens der reflektierten schrittweisen Annäherung an die Realität - ausgehend von modelltheoretischen Abstraktionen - wird damit trefflich illustriert.
Allerdings sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere in Bereichen wie dem Arbeitsmarkt unter Ökonomen Unterschiede in den präanalytischen Visionen virulent sind, die auf diese Art nicht zu bewältigen sind. Für die einen ist der Arbeitsmarkt bei allen möglichen Komplikationen und Anomalien im Wesentlichen ein Markt wie jeder andere. Der Lohn ist ein Preis wie jeder andere - und das normale Vertragsrecht reicht im Grunde als rechtlicher Rahmen auch für Arbeitsverträge aus. Für die anderen weisen empirische Komplikationen (einschließlich der von Rosner besprochenen Institutionalisierungen und Regulierungen, die sich gerade auch im marktwirtschaftlichen Kapitalismus um Arbeitsmärkte herum ausgebildet haben) auf einen grundsätzlich spezifischen Charakter von Arbeitsmärkten, der in mehrfacher Weise mit den Grenzen des Marktes, speziell mit den Grenzen der Handelbarkeit von Arbeit und mit damit zusammenhängenden marktendogenen Machtphänomenen zu tun hat.
Insgesamt werden in umsichtiger und kenntnisreicher Form die Stärken und Leistungen der Ökonomik als spezialisierte Wissenschaft und Toolbox beleuchtet, deren Entwicklung als Prozess der Ausdifferenzierung und Methodenorientierung zu charakterisieren ist. Auf diese Art ist ein Buch entstanden, an dem es kaum etwas zu kritisieren gibt - vielleicht mit Ausnahme des Fehlens eines Stichwortverzeichnisses, das den Gebrauchswert für manche vermutlich noch erhöhen würde.
Man würde sich jedoch komplementär zu diesem Buch noch ein zweites Buch wünschen - und zwar eines, das auf der Basis des Vorliegenden in ähnlich umsichtiger und kenntnisreicher Form jene Probleme und Schwächen diskutiert, die ebenfalls eng mit der Entwicklung der Ökonomik als sozialwissenschaftliche Disziplin zusammenhängen. Eine Entwicklung, in der die innere Dynamik disziplinärer Wissenschaft mitunter in Wechselwirkung tritt mit wirtschaftspolitischen Herausforderungen und der wechselvollen Dynamik präanalytischer Visionen, welche Schumpeter mit dem Begriff Ideologie zusammenfasste.
Ein kritischer Zugang im eigentlichen Wortsinn muss von einem adäquaten Bild der Errungenschaften der Ökonomie ausgehen, wie es in Rosners Buch trefflich geboten wird. Es ist oft schmerzhaft zu sehen, dass ein mehr oder minder radikaler Gestus von Kritik an der Mainstream-Ökonomik oft mit oberflächlichen Problemdiagnosen einhergeht, die wirklich kritischen Punkte kaum berührt und Unterscheidungen vermissen lässt, die für eine gehaltvolle Kritik entscheidend wären - etwa zwischen blinden Flecken, die durch die (teils auch ideologiebehaftete) Ausrichtung bestimmter Forschungsprogramme bedingt sind, und Problemen, welche die Behandlung sozio-ökonomischer Fragen im Rahmen einer sich ausdifferenzierenden wissenschaftlichen Disziplin so oder so aufwirft und für deren Behandlung es kein Patentrezept gibt. ...