Aus der Einleitung des Beitrags:

Dieser Beitrag ist als ein Versuch zu verstehen, die verschiedenen aktuellen sozialpolitischen Argumentationslinien sowie einige „Leerstellen“ des Diskurses zu skizzieren. Dabei geht es wesentlich um zwei Fragen, die speziell die ökonomische Analyse der Sozialen Sicherung tangieren:

- Warum findet sich eine der prinzipiellen Stärken wirtschaftstheoretischer Modelle – die Wirkungsanalyse – in der sozialpolitischen Diskussion nur in sehr rudimentärer Form wieder? Dies erschwert insbesondere die Diskussion um die Phänomene der Armut und Unterversorgung sowie die Möglichkeiten der Armutsbekämpfung.

- Warum ist die Fundamentalkritik am Sozialstaat aktuell so wirkmächtig (vgl. den Beitrag von Sturn in diesem Band)?

Es soll gezeigt werden, dass eine umfassende Wirkungsanalyse notwendig ist, die über den Einsatz des üblichen mikroökonomischen Instrumentariums hinausgeht, um erkennen zu können, wann sozialpolitische Ziele und die Sozialstaatsidee insgesamt durch unintendierte Folgen der einzelnen Maßnahmen konterkariert werden könnten.

Derzeit ist die Heterogenität sozialpolitischer Argumentationslinien beträchtlich. Selbst innerhalb bestimmter Modellrahmen ist eine große Bandbreite der daraus folgenden Gestaltungsoptionen des Sozialstaates konstatierbar. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass je nach Nuancierung des Marktmodells, den Spezifika des unterstellten Marktversagens, die sozialpolitische Eingriffe begründen, und den Vorstellungen zur Funktionsweise des politischen Systems ausgesprochen vielfältige politische Schlussfolgerungen gezogen werden. Diese Offenheit der Gestaltung, die fast einen Beliebigkeitseindruck hinterlässt, erfordert genuin eine exakte Wirkungsanalyse, um als Mindestanforderung daraus empirisch prüfbare Fragestellungen ableiten zu können.

Im nächsten Abschnitt werden wesentliche Ebenen des sozialpolitischen Diskurses vorgestellt. Danach wird im dritten Abschnitt eine ausführliche Würdigung der Wirkungsanalyse sozialpolitischer Programme und Maßnahmen vorgenommen, die nicht allein traditionelle mikroökonomische Fragestellungen thematisiert. Es geht dabei auch um den Wettbewerb politischer Systeme, um die Funktionsweise und die Nichtneutralität des politischen Systems insgesamt, um makroökonomische Stabilisierung und um die Frage, ob die Wirkung sozialpolitischer Programme auf die Einstellungen und Präferenzen der Menschen sowie die Beeinflussung der Normen und Usancen einer Gesellschaft bei Wirkungsanalysen beachtet werden sollte und welche Wirkmechanismen dabei relevant sein können. Im vierten Abschnitt wird dann der bereits skizzierten Frage nachgegangen, welche Gründe es für die derzeitig sehr kritische Sicht auf den Sozialstaat gibt, wobei der Eindruck entsteht, als dominiere eindeutig die radikale Sozialstaatskritik gegenüber moderaten oder befürwortenden Positionen. Eine kurze Zusammenfassung der Argumente bildet den Abschluss dieses Beitrages.