"Ökologie und Wirtschaftsforschung" · volume 71
225 pp.
19.80 EUR
(incl. VAT and Free shipping)
ISBN 978-3-89518-621-9
Wachstum in einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft schafft mittels ergrünter Industrie- und Wirtschaftspolitik Arbeitsplätze, bietet unternehmerische Perspektiven und nützt am Ende auch der Umwelt! So oder ähnlich hört man es immer wieder aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen. Aber kann sich Wirtschaftswachstum tatsächlich nachhaltig vollziehen und als Allheilmittel für ökologische, ökonomische und soziale Probleme dienen? Dieser Frage geht dieser Band unter Beteiligung prominenter Autoren aus Wissenschaft und Politik nach.
Zunächst wird dabei versucht, die systemische Notwendigkeit von Wirtschaftswachstum ebenso wie etablierte Wohlstandsindikatoren zu hinterfragen. Auf der Basis einer empirischen Bilanz bisheriger Wachstumsstrategien behandeln die Autoren sodann neben ökologischen Aspekten wie Energie-, Materialverbrauch und Biodiversitätsverlust auch soziale Gesichtspunkte wie Beschäftigungswirkungen und internationale Implikation von Wachstumsstrategien. Abschließend werden Alternativen zum Wachstumsparadigma skizziert und deren politische Relevanz abgeschätzt.
Das Wirtschaftswachstum ist zur generellen Leitlinie von Wirtschaft und Gesellschaft geworden. Anvisiert werden möglichst hohe konstante Wachstumsraten, und das ins Unendliche fortgesetzt. Dies ist allerdings nicht nur ein Postulat, sondern die Realität: Die globale Wirtschaft wächst unaufhörlich weiter. Ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt (BIP) war und ist mit einem stets steigenden Verbrauch natürlicher Ressourcen verbunden. Doch der Vorrat natürlicher Ressourcen ist begrenzt, ebenso die Kapazität von Erde, Wasser und Luft zur Absorption der Abfälle und Emissionen, die aus dem Verbrauch dieser Ressourcen resultieren.
Muss es also nicht zu einem Konflikt zwischen der Tendenz zum unendlichen Wachstum des BIP und der Realität der begrenzten Welt kommen? Stehen wir nicht schon mitten in diesem Konflikt? Können wir diesem Konflikt ausweichen indem wir auf ein Wachstum "light" setzen, also pro Produktionseinheit immer weniger Ressourcen verbrauchen? Oder wird dieser Effekt von der Steigerung der Produktmengen überholt?
Um diese Fragen kreist das neue Buch von Sven Rudolph, Sprecher des BUND-Arbeitskreises "Wirtschaft/Finanzen". Es gibt keine definitiven Antworten, weist aber auf mögliche Lösungen hin. Wir müssen die Wachstumsfrage diskutieren, um einen gangbaren Pfad in eine nachhaltige Zukunft zu finden.
"Lassen sich die heutigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Probleme tatsächlich mit einer Strategie lösen, die allein auf Wirtschaftswachstum setzt? Und ist langfristiges Wachstum einer Volkswirtschaft angesichts absoluter Grenzen des ökologischen Systems überhaupt möglich? Diese Fragen waren Ausgangspunkt einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll in Kooperation mit den BUND-Arbeitskreisen Wirtschaft und Finanzen sowie Internationale Umweltpolitik im November 2006. Die im vorliegenden Band dokumentierten Beiträge thematisieren Wachstum demnach im ökologischen und sozialen Kontext, auch wenn ersterer im Mittelpunkt steht.
Der Volkswirtschaftler Rudi Kurz hält angesichts des "faktischen Deutungsmonopols des Wachstumsparadigmas eine intellektuelle Auseinandersetzung für überfällig". Ein Paradigma gerate erst dann in die Krise, so seine Überzeugung, "wenn es sein Versprechen im Kern nicht mehr erfüllen kann" (S. 18). Das heißt: "Wenn Wirtschaftswachstum - in der Wahrnehmung relevanter Teile der Gesellschaft - nicht mehr mit einer Zunahme des Wohlstands verbunden ist, dann ergibt sich die Chance für die Durchsetzung eines neuen Paradigmas, das ein attraktiv(er)es Erfolgsversprechen bietet." (ebd.) Paradigmen seien jedoch "Immunisierungsstrategien" ausgesetzt, die den notwendigen Wandel verzögern können. Kurz bleibt in seiner Positionierung ambivalent. Wachstum löse nicht alle Probleme, besitze aber aufgrund seines "multidimensionalen Erfolgsversprechens" hohe Akzeptanz. Er plädiert für die Steigerung der Öko-Effizienz (die Energie- und Rohstoffeffizienz hat in Deutschland zwischen 1990 und 2005 um 2 Prozent p. a. zugenommen, nötig seien aber mindestens 4-5 Prozent) durch Beeinflussung der Innovationsrichtung (z.B. sparsame Antriebe), Erhöhung der Diffusionsgeschwindigkeit sowie Überwindung politischer Durchsetzungshemmnisse (bedrohte Interessen haben "hohen Organisationsgrad"). Da Effizienzgewinne alleine zu unsicher seien, plädiert der Volkswirtschaftler für die Koppelung mit einer Suffizienzstrategie. Diese wird im Beitrag von Manfred Linz und Kora Kristof an späterer Stelle näher und sehr ansprechend ausgeführt! Die beiden gehen aus von einem erweiterten Wohlstandsbegriff, der Güter, Zeit und Beziehungen umfasst. Die Mehrheit werde aber für Suffizienz - so die Überzeugung - eher durch negative Aspekte, die Abwehr von Gefahren gewonnen.
Die Folgebeiträge sind den Grenzen des Wirtschaftswachstums im Kontext von Ressourcenverknappungen gewidmet und fallen demnach wachstumskritisch(er) aus. Es geht darin u. a. um eine ökonomische Bewertung von Biodiversität (Ralf Döring plädiert für eine an "ökologischen und sozialen Leistungen orientierte Agrarforderung") sowie um unterschiedliche Methoden zur Erfassung von Stoffströmen (Sören Steger und Raimund Bleischwitz konstatieren in der EU durchaus Fortschritte hinsichtlich Ressourcenproduktivität, die jedoch noch nicht zu einer Dematerialisierung, sondern vielmehr zur Transmaterialisierung" geführt habe.
Den Blick auf die gesamte Welt(wirtschaft) wirft schließlich Joachim Spangenberg in seinem Beitrag "Das Überlebensspiel". Er geht von drei Akteursgruppen aus: den Wohlstandsländern (Industrialized Countries/ICs: hohe Durchschnittseinkommen, noch mittelschichtdominiert, überwiegend öffentliche soziale Sicherung; sie stellen zwei Drittel der "globalen Konsumentenklasse"), den NICS (Newly Industrialising (Süden) bzw. Newly Independent Countries (Nachfolgestaaten der Sowjetunion), allen voran die BRICS-Länder Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika; Merkmale: wenig Mittelschicht, viel Armut und meist eine Mischung aus öffentlichen und familialen Sicherungssystemen; sie stellen ein Drittel der globalen Konsumentenklasse) sowie den ärmsten Ländern (hohe Einkommenspolarisierung in eine kleine Geld- und Machtelite mit Einkommen aus Monopolrenten und Korruption, ansonsten Armut und Subsistenzwirtschaft mit familialer sozialer Sicherung). Letztere trügen derzeit kaum zum Ressourcenverbrauch bei, seien jedoch am meisten von Umweltkrisen betroffen. Die Ressourcenkonflikte der Zukunft hingegen würden zwischen Wohlstandsländern (ICs) und NICs ausgetragen. Möglich sind für den Autor vier Szenarien zwischen kompetitiver Machtpolitik und kooperativem Interessensausgleich. ...
Wachstum als Statistik-Phänomen
Wirtschaftswachstum und Biodiversitätsverlust
Nachhaltiges Wirtschaften im 21. Jahrhundert - nur mit einem Ausbau erneuerbarer Energien
Wirtschaftswachstum als Ausweg aus der ökologisch-sozialen Krise?
Suffizienz, nicht Wachstum, ist der Schlüssel zu mehr Lebensqualität
Eine Welt voller Unruhe - Das Doppelgesicht der Moderne
Von der Notwendigkeit einer neuen Wachstumsdebatte
Das Überlebensspiel - Ökologische und soziale Folgen von Wirtschaftswachstum und Effizienzstrategien für Schwellen- und Entwicklungsländer
Wirtschaftswachstum als Beschäftigungsgarant
Entkoppelung der Ressourcennutzung vom Wachstum
Effizienz, gerne! Aber Suffizienz?