Aus der Einleitung:

Die Wissensgesellschaft ist in aller Munde, und doch sind wir uns nicht sicher, ob es sich nicht um einen Mythos handelt. Verschiedene Zeitanalytiker setzen ihren Beginn mit den 1920er Jahren fest, andere am Ende des Zweiten Weltkriegs, andere erst mit dem Aufstieg der Computer seit den 1980er Jahren. Handfeste Indikatoren, die eine Abgrenzung zur herkömmlichen Industriegesellschaft belegen, lassen sich kaum finden, und doch ist den meisten Menschen das Gefühl gemein, dass irgend etwas an dieser neuen Epochenbezeichnung dran sein könnte. Drei Aspekte legen dies nahe: 1) Quantitätserfahrung: Die Quantität der unterschiedlichen, nunmehr vor allem mit technisch-elektronischen Medien übermittelten Informationen hat sich wesentlich gesteigert. Man kann das mit dem bescheideneren Begriff der „Informationsgesellschaft“ benennen. Damit meint man den durchdringenden Einfluss von Computernetzwerken, die Globalisierung von Informations- und Kommunikationsflüssen und das Vordringen des Datensammelns, Kopierens, Speicherns, Übermittelns, Manipulierens und Managens von Daten in alle Lebensbereiche und alle Aktivitäten: eine Veränderung, die für alle spürbar ist. Nie war so viel elektronische Vernetzung, nie so viel Fernsehen, nie so viel Kommunikation, nie so viel Datentransfer. Alles wächst zusammen, greift ineinander. 2) Qualitätsaspekt: Mit dem Begriff der „Wissensgesellschaft“ werden zusätzlich Probleme und Strategien angesprochen, um aus den zahlreichen Informationen Sinn zu gewinnen. Hierbei geht es um das Wissen von Forschern, Experten, Analysten und Nutzern, um die Verwendung von Theorien und Modellen, Strategien und Evaluationen, Entscheidungen und impliziten Erfahrungen, welche die Auswahl, Ordnung, komplexere Verarbeitung und Verwendung von Informationen und Daten betreffen. 3) Diskontinuität: Quantität und Qualität führen zur Hypothese eines radikalen Bruchs. Eine neue gesellschaftliche Formation scheint sich – nach dem Ende der Industriegesellschaft – abzuzeichnen. Die „Übertreiber“ sind dabei vorneweg. Sie verkünden einen „Sturz der Materie“, eine „Immaterialisierung der Gesellschaft“, eine „Virtualisierung des Lebens“. Das Graduelle wird zum Qualitativ-Anderen und Historisch-Unvergleichbaren: Materielle Faktoren verlören nicht nur an Bedeutung, sie würden irrelevant. Die „materielle Ökonomie“ werde von der „symbolischen Ökonomie“ abgelöst, Handwerker und Fließbandarbeiter von den „Symbolanalysten“. Wissen sei die entscheidende gesellschaftliche Kraft einer neuen Epoche geworden. Pathetischer: Der Geist triumphiert über die Materie. Solche Aussagen freuen naive Intellektuelle, die glauben, dass ihnen dies einen entscheidenden Bedeutungsgewinn verleiht.

Entscheidend für den Verdacht auf eine Transformation zu einer neuen Wissensgesellschaft ist die Vermutung, dass die epidemisch wuchernde Vermehrung vollgestopfter Kommunikationskanäle tiefer greift als andere „Kommunikationsrevolutionen“, tiefer gar als der durch die Erfindung des Buchdrucks ausgelöste Wandel. Das hat schon Fritz Machlup (1962) geahnt, als er sich in den 1960er Jahren erstmals mit einer „Ökonomie der Information“ befasste. Das hat Peter Drucker (1969) vorausgesagt, als er die Wirtschaftswelt der Zukunft schilderte. Und das hat Daniel Bell (1973) präziser ausgeführt, als er die axialen Prinzipien der „postindustriellen Gesellschaft“ darstellte. Wir haben die Erfahrung eines „Bruches“, ohne dass sich problemlos das Alte oder das Neue beschreiben ließe. In der Folge kann es deshalb auch nicht um die „große“ Theorie des neuen Informationszeitalters gehen, sondern um die Gewinnung einer Übersicht: um eine Art Phänomenologie von Diskussionen und Begrifflichkeiten der Wissensgesellschaft.