Aus der Einleitung:

„Wissen ist Macht“. Dieses geläufige Sprichwort wird vielfach derart interpretiert, dass Wissen ökonomische Macht, sprich hohes Einkommen vermittelt. Doch führt höhere Bildung tatsächlich zu höherem Einkommen oder wird letzteres nicht auch durch andere Faktoren entscheidend bestimmt? Heute noch ökonomisch wertvolle Fertigkeiten und Kenntnisse können morgen durch technologischen Wandel entwertet werden. Lassen sich systematische Wechselwirkungen zwischen der allgegenwärtigen Technologieentwicklung und der Struktur und Verteilung der Löhne und Einkommen isolieren?

Damit stellt sich auch die Frage nach den Triebkräften für den technologischen Wandel. Fällt dieser gleichsam vom Himmel oder lassen sich mit dem Arbeitsmarkt im Zusammenhang stehende endogene Triebkräfte ausmachen, die seine Richtung und sein Ausmaß bestimmen?

In einem kürzlich erschienenen Überblicksartikel hat Acemoglu (2002) für Fragen wie diese zwar unkonventionelle, aber vielversprechende Antworten vorgeschlagen. Der folgende Beitrag fasst dieses Erklärungsmodell zusammen und analysiert es kritisch. Er gliedert sich wie folgt: Im Abschnitt 2 werden empirische Trends zur Einkommensentwicklung in den USA sowie die Grundzüge eines Modells mit endogenem technologischen Wandel vorgestellt. Demnach werden Richtung und Ausmaß des Wandels und der daraus resultierenden Veränderung der Arbeitsnachfrage von der Qualitätsstruktur des Arbeitsangebots gesteuert. Diese Angebots- und Nachfrageeffekte bestimmen im Wesentlichen die Lohnsätze und die Einkommensverteilung zwischen qualifizierter und weniger gut qualifizierter Arbeit. Es folgt eine kritische Analyse zweier Grundcharakteristika von Modellen dieses Typs. Im Abschnitt 3 werden die Eigenheiten realer Prozesse der Technikentwicklung analysiert, an einem Fallbeispiel illustriert und mit der arbeitsangebotsgetriebenen Endogenisierung des technischen Wandels kontrastiert. Das wirft die Frage auf, ob Richtung und Ausmaß der technologischen Entwicklung tatsächlich primär durch die damit verbundenen Gewinnaussichten der Inventoren und Innovatoren bzw. die relativen Preise der Produktionsfaktoren gesteuert werden. Im Unterschied zum technischen Wandel werden Veränderungen in Struktur und Qualität des Arbeitsangebots von Acemoglu und anderen im Wesentlichen als exogen (nicht primär durch relative Preise getrieben) modelliert. Im Abschnitt 4 wird dieser Ansatz genauer ausgeführt. Einflussfaktoren, welche die Qualität des Arbeitsangebots formen, werden ebenso diskutiert wie weitere verteilungsrelevante Differenzierungen der Modelle. Eine kurze Zusammenfassung schließt diesen Beitrag ab.