Aus der Einleitung:

Heute sind sich fast alle darüber einig, dass "Anthropozän" eine sehr treffende Bezeichung für die Jetztzeit ist. Der für seine Forschungen zum Ozonloch nobelpreisgekrönte niederländische Atmosphärenchemiker Paul Crutzen hat sie nicht erfunden, aber mit großem Nachhall seit der Jahrtausendwende propagiert. Für nicht wenige Menschen hat der Begriff sogar eine positive Aura: Sie können sich jetzt wirklich als die Herren der Welt fühlen. Besonders die Optimisten sind die neuen Helden. Nur leider weist dieses Anthropozän - nach Meinung fast aller Beobachter, auch Crutzens - bisher eine so ambivalente Bilanz auf, dass man sich mit dem gängigen "Weiter so" nicht zufrieden geben kann. Es steht einerseits für eine vorher nicht in dieser Form durchgeführte Unterscheidung von Glauben und Wissen mit einer daraus vermeintlich folgenden, vorher nicht für möglich gehaltenen Vermehrung und Präzisierung angeblichen Wissens. Ergebnis ist, dass viele, insbesondere Politiker, Vertreter der Wirtschaft und Industrie, aber auch die meisten Wissenschaftler, Soziologen und Philosophen, auch Crutzen und nicht zuletzt fast wir alle glauben, dass wir heute eine Wissensgesellschaft bilden. Ich halte das für falsch.

In jedem Falle steht der Begriff Anthropozän für das erste Erdzeitalter, in dem der Mensch das Ruder zumindest der kulturellen Evolution, teilweise aber auch der natürlichen, selbst in die Hand genommen hat und jetzt trotz all diesen Wissens und trotz aller Erfolge drauf und dran ist, seinen eigenen Lebensplaneten vor die Wand zu fahren. Die Rede vom Anthropozän ist also janusköpfig; ihr äußerlich positiver Anstrich verdeckt einen negativen Kern. Wir sind weit von der Rettung der Erde entfernt, von der inzwischen viele zu Recht sagen, dass sie dringend sei. Diese Diskrepanz kennzeichnet unsere Gegenwart und sie kennzeichnet sie scharf und klar. Ich möchte das so ausdrücken: Das Anthropozän folgt mit getrübtem Bewusstsein vor allem schwankenden Wunschvorstellungen, nämlich einer ziemlich verrückten Ideologie – dem Glauben des Menschen an sein Wissen und seinen Sieg über die Dummheit. Sie porträtiert ihn als Homo sapiens, der sich selbst als Homo deus feiert, grenzenlos fortschrittsfähig, kluger Herr der Erde. Anders ausgedrückt: Das Anthropozän hat in Bezug auf die Wirklichkeit versagt. Es ist höchste Zeit, dass wir dies endlich bemerken und Konsequenzen ziehen.