Eingeleitet und kommentiert von Hansjörg Klausinger
"Beiträge zur Geschichte der deutschsprachigen Ökonomie" · volume 28
387 pp.
29.80 EUR
(incl. VAT and Free shipping)
ISBN 978-3-89518-525-0
Die Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er-Jahre bedeutete für die einem strikten Wirtschaftsliberalismus verpflichteten Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie eine besondere Herausforderung, wurde die Krise doch in weiten Kreisen als Beweis für das Versagen des kapitalistischen Wirtschaftssystems und seines liberalen Regelwerkes betrachtet. Demgegenüber sahen die "Austroliberalen" die Krisenursache gerade in dem um sich greifenden staatlichen Interventionismus und forderten als Rezept der Krisenbewältigung die Rückkehr zu den bewährten, von der Mentalität des Goldstandards geprägten liberalen Regeln. Diesen Kampf gegen expansionistische Krisenpolitik und die Gefahr des "Inflationismus" einerseits und für Freihandel und freie Märkte anderseits, der aus heute herrschender Sicht zumindest in manchen Aspekten als verfehlt beurteilt wird, führten sie nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene, sondern auch in der Tagespresse mit Diskussionsbeiträgen zu den aktuellen Problemen der (österreichischen und internationalen) Wirtschaftspolitik.
Diesen bislang weitgehend vernachlässigten journalistischen Schriften widmet sich der vorliegende Band. Er versammelt eine ausführlich kommentierte Auswahl der von Fritz Machlup, Oskar Morgenstern, Gottfried Haberler, Friedrich August Hayek und von anderen zum Teil anonym publizierten Beiträge und Glossen aus der Zeit von 1931 bis 1934, die im Neuen Wiener Tagblatt erschienen sind und nun zum ersten Mal wiederabgedruckt und damit der wissenschaftlichen Diskussion zugänglich gemacht werden.
Zu Beginn der 1930er Jahre, also während der Weltwirtschaftskrise, wurden Vertreter der dritten und vierten Generation (Gottfried Haberler, Friedrich August von Hayek, Fritz Machlup, Oskar Morgenstern) der "österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre" journalistisch aktiv, um auch den Nicht-Ökonomen die wirtschaftlichen Grundlagen zum Verständnis ob der Hintergründe und Ursachen dieser Krise zu vermitteln.
Eine Vielzahl dieser Pressebeiträge aus jener Zeit sind in diesem Buch gesammelt; jedoch nicht nur gesammelt, sondern auch in lobenswerter Weise exzellent kommentiert. Der Leser erhält ausführliches wirtschaftshistorisches und personenbezogenes Hintergrundwissen über jene Zeit. Damals wie heute war und ist es in den veröffentlichten Meinungen populär eine Wirtschaftskrise als Marktversagen zu verdammen; vom Versagen des Kapitalismus zu sprechen - ohne jedoch fundierte ökonomische Kenntnisse zu besitzen. In den hier versammelten Beiträgen, mit denen sich die "Austro-Liberalen" journalistisch in die Tagespolitik einmischten, spürt man den Wunsch und das Motiv, dem breiten Lesepublikum die interventionistische Chaospolitik der Staatsregierungen als Hauptursache der Weltwirtschaftskrise verständlich zu machen.
Von daher wundert es nicht, dass man die Artikelsammlung auch mit 'Mehr Kapitalismus wagen' oder 'Mehr Marktwirtschaft wagen' betiteln könnte. Die o. g. österreichischen Ökonomen kämpften für eine Revitalisierung eines liberalen Regelwerks in und für Wirtschaft, Gesellschaft und Staat, für Freihandel und Wettbewerb, gegen Kartelle, gegen Devisenbewirtschaftung, gegen Handelsbeschränkungen, für eine restriktive Geldpolitik i. V. m. konsequent einzuhaltender Goldparität der Währung; kurz: die journalistische Tätigkeit richtete sich gegen Interventionen jedweder Art.
Der Band ist, als Folge von teilweise geradezu funkelnden Formulierungen vieler Beiträge, ein richtiges Lesevergnügen und eine Fundgrube, um Nicht-Ökonomen wirtschaftliche Zusammenhänge aufzuzeigen.
Die Beiträge zeigen auch, dass es möglich ist - ohne auf Wissenschaftlichkeit zu verzichten - ökonomisch anspruchsvolle Themen in einem für Nicht-Ökonomen verständlichen (brillanten) Stil anzugehen und aufzubereiten. Gelehrte, die dies können und praktisch umsetzen fehlen heutzutage leider meist.
Fazit: Ein hervorragendes Buch - sehr zu empfehlen; ein wirkliches Lesevergnügen, durch die ausführlichen Kommentierungen von Prof. Klausinger auch für Leser, denen die historischen Details fehlen.
Mit Bezugnahme auf die derzeitige Weltfinanzkrise ist auch noch festzuhalten, dass die Beiträge des Bandes - umgewidmet auf das Heute - in Teilen doch sehr aktuell sind.
Besonders hervorzuheben an der Publikation dieser Aufsatzsammlung ist die ausführliche und sorgfältige Kommentierung der Texte durch den Herausgeber, der sich der Mühe unterzogen hat, in zahllosen Fußnoten konkrete Bezüge der Artikel auf das laufende Geschehen zu erläutern und so die Texte verständlich und lesbar zu machen, auch für jene Leser, die mit den historischen Hintergründen im Detail nicht vertraut sind.
Dieser mit wissenschaftlicher Gründlichkeit aufbereitete, eingeleitete und mit Akribie reichlich kommentierte Band stellt zweifellos einen wertvollen zeitgeschichtlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Geschehen in bewegten Jahren der Ersten Republik [Österreichs] dar, welcher einprägsam auch die Widersprüchlichkeiten bis hin zu Hilflosigkeit bzw. Frustration einschlägiger Versuche wirtschaftspolitischer Ansätze im damals vorherrschenden politischen Umfeld veranschaulicht.
Prägnant und fesselnd zugleich durchforstet Klausinger in seiner die eigentlichen Texte einbegleitenden Einführung, den aus der Komplexheit von Argumenten resultierenden "policy mix", der - in rückblickender Beurteilung - infolge konjunktureller 'Teleskopisierung der langen in die kurze Frist' förmlich dazu angetan war, 'dass der Rat ... der Ökonomen dort, wo er denn tatsächlich befolgt wurde, mehr Schaden als Nutzen gestiftet hat. Denn gerade in Österreich hielt sich die Wirtschaftspolitik ... an die Maximen von Hartwährungspolitik und fiskalischer Austerität' und produzierte so 'aus nachfrageseitiger Restriktion und angebotsseitiger Förderung von starren Preisen eine nachhaltige wirtschaftliche Katastrophe mit unabsehbaren Folgen', die mit einem geradezu monomanisch verfochtenen 'Anti-Inflationismus' bis heute einen gewissen Schatten auf das wissenschaftliche Wirken der Austroliberalen und deren Rezepturen wirft" (31 f.). ...
Eine ökonomisch wie auch zeitgeschichtlich höchst aufschlussreiche Lektüre bieten sodann die im einzelnen aufbereiteten und mit erläuternden Anmerkungen versehenen Kommentare bzw. 'Beiträge zur wirtschaftlichen Vernunft', die zugleich den inhaltlichen Kern des Bandes abgeben, gefolgt von den z.T. schmissig formulierten und als solche gekonnt auch journalistisch gehaltenen 'Glossen' von Fritz Machlup: 'Zwei Minuten Volkswirtschaft', verfasst für das Tagblatt in den Jahren 1932 bis 1934 als nachgerade eine - stellenweise durchaus amüsant zu lesende - Fundgrube einschlägiger wirtschaftspolitischer Argumente und Gedankenführung (etwas, das man in vergleichbarer Güte und Professionalität in heutigen Blättern vielfach vermisst)."
"... Auf dieser Basis lancierte der Unternehmen und Wissenschaftler Machlup gemeinsam mit Morgenstern, Hayeks Nachfolger am Institut, eine regelrechte journalistische Kampagne, mit der vor allem drei Ziele verfolgt wurden: die Rückkehr zu restriktiver Geldpolitik und ausgeglichenem Budget; die Aufhebung der Devisenbewirtschaftung und aller Handelsbeschränkungen; die Einführung der Goldparität. Nach Klausingers Urteil war die Kampagne sogar von Erfolg gekrönt - was er allerdings sehr kritisch sieht. ...
Die prägnanten und teilweise geradezu witzigen Stücke sind ein Lesegenuß - und ein Lehrstück dafür, wie volkswirtschaftliches Grundwissen in einfachen Worten vermittelt werden kann. Und selbst wenn die Theorie inzwischen Fortschritte gemacht hat - viele Probleme sind heute ähnlich, und die meisten grundsätzlichen Argumente der liberalen Ökonomen sind unvermindert gültig."