4. aktualisierte Auflage 2012
624 pp.
29.80 EUR
(incl. VAT and Free shipping)
ISBN 978-3-89518-920-3
"Nach dieser Art 'Abrechnung' mit gemachten Fehlern folgt die detailgenaue Erklärung der Finanzmarktkrise. Dabei bietet Peukert in seiner Erläuterung einen dogmengeschichtlichen und zugleich theoretischen Überblick, sodass der Leser unter anderem mit den Wirtschaftstheorien von Gesell, Galbraith, Keynes und Minsky vertraut gemacht wird. Zuweilen geht der Verfasser so ins Detail, dass es dem 'eiligen Leser' vielleicht doch zu viel werden könnte. Wer aber wirklich etwas über Krisen lernen will, erhält hier die Chance. Peukert fordert, dass die Notwendigkeit einer 'postautistischen Ökonomie' besteht: eine Ökonomie, die nicht weiter im mathematischen Elfenbeinturm lebt, sondern anstatt abstrakter Modelle mehr Geschichte, Psychologie oder auch Soziologie in die Lehre einbezieht.
Dass sich Peukert nicht davor drückt, auch Lösungsvorschläge anzubieten, ist angesichts der Kritik, die er an seinem Fach äußert, folgerichtig. Die vom Verfasser diskutierten Reformvorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte reichen von einer neuen Geldordnung bis zu Restriktionen für riskante Finanzmarktinstrumente. Dabei vergisst er auch nicht, auf ökologische Probleme und Grenzen einer wachstumsabhängigen Ökonomie hinzuweisen. Das Buch hält was es verspricht. Nämlich eine konsequente Aufarbeitung der Finanzmarktkrise: Ursache, Wirkung und Lösungsansätze."
"das Buch ist eine Fundgrube an bedenkenswerten Analysen und Perspektiven.
Peukert konfrontiert den Leser vielmehr behutsam, aber gezielt mit seiner grundsätzlichen Reflexion. Ihn stört, dass man auch nach zwei Jahren Krise noch keine Klarheit über den entscheidenden Kern der Probleme und die eigentliche Krisenquelle hat. Die Öffentlichkeit wird stattdessen mit dem Hinweis auf ein Sammelsurium an Formen des Markt- und Staatsversagens befriedigt, die alle eine Rolle gespielt und sich irgendwie gegenseitig auch noch hin zu einem toxischen Gesamtcocktail verstärkt haben. Der Rezensent möchte gerne gleich widersprechen und teilt beispielsweise nicht die Aussage, dass man eine tiefergehende Aufarbeitung scheut (S. 21). Ganz im Gegenteil scheint das sogenannte ?Regulierungsfenster? viel weiter und vor allem länger geöffnet zu sein, als es allgemein in den Wirren der Finanzkrise gedacht wurde. Aber man lernt schnell, dass es Helge Peukert nicht um Einzelaspekte, Kleinigkeiten, geht wie die Einführung einer Leverage Ratio oder ein weiteres, sogar internationales Aufsichtsgremium. Er will grundsätzlich hinterfragen, ob der modere Finanzsektor wirklich so innovativ ist, wie er allgemein beschrieben wird, ob er als Wachstumsbranche tatsächlich Modellcharakter haben kann und benennt die negativen Begleiterscheinungen der Globalisierung an den Finanzmärkten. Dabei hat er keine Scheu, die politischen Vertreter (Parteien wie auch einzelne Personen) zu benennen und in die Verantwortung zu ziehen. Da verwundert es auch nicht, dass er sich im Weiteren kritisch (und polemisch) mit dem Spekulationsbegriff und dem vermeintlichen Nutzen des Agierens von Spekulanten auseinandersetzt. Im zweiten Abschnitt ?Panoramabild? bereitet der Autor die aus seiner Sicht entscheidende Frage, ob es überhaupt rational-effiziente Kapitalmärkte gibt, vor. Ab und an treibt er seine Polemik sehr weit. ... Solchen kleinen Ausreißern braucht man aber keine allzu große Aufmerksamkeit zu widmen. Wesentlich spannender und ertragreicher ist die kritische Analyse des Wissenschaftsbildes der letzten Jahre. Peukert beschäftigt die Frage, weshalb die Fehlersuche der Finanzexperten nur gelegentlich über den Mikroblick hinausgeht, meist aber innerhalb der Grenzen des etablierten und befürworteten Finanzsektors verharrt (S. 61). Seit Jahren vermisst er in der Fachwissenschaft eine kritischere Grundhaltung zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten und wird auch im deutschen Standardwerk für die universitäre Lehre in der Bankbetriebslehre (Hartmann-Wendels et al. 2010) nicht fündig. Auf den Seiten 79 bis 86 präsentiert er schließlich einige aus seiner Sicht zumindest diskussionswürdige Beispiele der Aufarbeitung der Finanzkrise (unter anderem Rudolph 2009, Acharya et al. 2009, Münchau 2008, Sinn 2009, Zeise 2009). Für ihn sind die meisten Beiträge bei allen positiven Teilaspekten aber dann doch ?eher enttäuschend? (S. 82). ...
Grundsätzlich aber erzählt Peukert sehr spannend, man folgt ihm sehr gerne (S. 89-99). Er übersieht keineswegs, dass sich Fama als Schüler von Benoit Mandelbrot (Mandelbrot und Hudson 2004), dem Begründer der fraktalen Geometrie, der Grenzen der Beschreibung von Kurs- bzw. Renditeverteilungen nur über die ersten beiden Verteilungsmomente bewusst ist. Fama weiß sehr wohl, dass "die Mandelbrotverteilung besser mit den Daten übereinstimmt als die Gaussche Normalverteilung". Helge Peukert weist deshalb bereits hier auf die große Nähe zwischen der Effizienzmarktthese nach Fama und dem von ihm propagierten Bullen-Bären-Paradigma hin. Damit ist er schon mitten in seiner kritischen Diskussion im zweiten Unterabschnitt "Skepsis und Relativierungen". Er bedauert, dass Eugene Fama seine Kompetenz und seine Einsichten hin zu einer kritischen Grundhaltung zur Theorie effizienter Märkte nicht zu einer konsequenten Weiterentwicklung genutzt hat, sondern mit seiner Beliebigkeit faktisch einer "Nonsenstheorie" (S. 127) das Wort redet. Auch die an sich vielversprechenden Ansätze der verhaltensorientierten Finanzmarktforschung, der Behavioral Finance, verpassen eine hinreichende Emanzipation von der Effizienzmarkttheorie (Shleifer 2000, Shiller 2000). Die dringend benötigte hermeneutische Ausrichtung der Volkswirtschaftslehre gibt es nicht, diese setzt seit Jahren vielmehr auf deduktives Modellieren und die ökonometrische Auswertung von Marktdaten, was zur Lösung der Probleme gar nichts nützt ? so Helge Peukert.
Helge Peukert gelingt es, seine Empörung in eine spannende wissenschaftliche Auseinandersetzung umzusetzen. Das Buch schwächelt, wenn manchmal ganz am Rande quasi beiläufig eine konkrete Handlungsempfehlung ohne weitere Analyse gegeben wird. So steht für Peukert fest, dass man bis auf ein oder zwei alle Landesbanken schließen sollte (S. 280). Auch muss man seine Polemik ertragen können, denn seine große Skepsis gegenüber allem, was das Investment Banking ausmacht, verleugnet er nicht ("Bankster", S. 165). Die durch sehr viele Zitate geprägten Texte machen das Lesen nicht immer leicht. Er fordert den Leser, aber er bietet auch sehr viel. Dabei ist es ganz gleich, ob man seine skeptische Haltung gegenüber den Finanzmärkten annehmen will oder sich eher doch auf der anderen Seite wohler fühlt. Das Buch ist insofern herausragend, als es das Denkmuster einer postautistischen Finanzmarktregulierung ausführlich und nachvollziehbar wissenschaftlich begründet. Jedem am Finanzmarktgeschehen interessierten Leser (und Wissenschaftler) kann Peukerts Buch mit gutem Gewissen und sehr nachdrücklich empfohlen werden. Der Rezensent zumindest hat von der Lektüre profitiert, viel dazugelernt und wird sich mit den gut durchdachten Argumentationsketten weiter auseinandersetzen müssen."
"Der gewaltige Umfang dieses Buches wird hoffentlich seine breite Rezeption nicht behindern. Helge Peukert hat nämlich eine bewundernswert ehrliche und kompetente Bestandsaufnahme des bisherigen Umgangs mit der Finanzkrise vorgelegt. ...
Peukerts Buch hebt sich wohltuend von anderen Reaktionen auf die Finanzkrise ab, die die Öffentlichkeit in dem trügerischen Glauben wiegen, dass wir uns im Gegensatz zu Lucas Zeises "Ende der Party" (2009) mit einem "Weiter so" bereits wieder auf der Überholspur in die Richtung einer Dauerkonjunkur mit Wachstum und Vollbeschäftigung befinden. Weder verharmlost Peukert die Beinahe-Kernschmelze des Weltfinanzsystems als Betriebsunfall noch liefert er ein vordergründig-kritisches Scheingefecht, bei dem die Ursachen der Krise letztlich doch unangetastet bleiben. ...
Trotz seiner Zurückhaltung gegenüber Gesell kommt Peukert auf den letzten Seiten seines Buches erfreulicherweise auf genau jene schon eingangs angesprochene "ungeklärte Zukunftsfrage" zurück, zu deren Lösung Gesells Freigeld bzw. Keynes' "künstliche Durchhaltekosten" auf liquide Mittel in weiter entwickelter Form vielleicht doch noch einmal etwas beitragen könnten. Zusätzlich zu all den von Peukert für notwendig gehaltenen Reformen, die den Finanzmärkten 'von außen' Daumenschrauben anlegen, wird es nämlich auch notwendig sein, ihre permanente Expansion und Verselbständigung 'von innen' mit einem Abbau der (u.a. durch den Zinseszins bewirkten) Konzentration der Geldvermögen" zu bremsen. Letztlich geht es auch für Peukert und die "ungeklärte Zukunftsfrage: Wäre eine ökologisch tragfähige Gesellschaft, die nicht auf den Wachstumsimperativ angewiesen ist, mit einer Geldordnung vereinbar, in der es positive Zinssätze gibt? Falls die Frage zu verneinen ist: Ist eine Geldordnung in einer arbeitsteiligen Wirtschaft ohne positive Zinssätze möglich?" (S. 25, 27)
Nachdem diese Schlüsselfrage bei allen Ausführungen Peukerts zu den Finanzmarkttheorien des ökonomischen Mainstreams sowie zu den alternativen Erklärungsansätzen und Reformvorschlägen im Hintergrund geblieben ist, taucht sie am Ende als Krönung seines Buches wieder auf. Mit einer bewundernswerten Geste der Aufrichtigkeit bekennt Peukert, dass er "sich an die letzte Wurzel des Problems der Finanzmärkte bisher nicht herantraute: Wie kann ein Wirtschaftssystem überleben, das angesichts positiver Zinssätze und mit Vermögenswerten, die Rendite abwerfen sollen, was letztlich nur durch Erlöse aus der Realspähre geleistet werden kann, ein System also, das auf Wachstum angelegt ist, mit den Erfordernissen der Ökosphäre harmonieren, die stetiges Wachstum nicht mehr verträgt.
Diese Fragen im wirtschaftswissenschaftlichen Raum überhaupt zu stellen, ist - unabhängig davon, wie sie in Zukunft beantwortet werden - ein geradezu sensationelles Ergebnis."
Am 19. Juli 2012 stellte Prof. Dr. Dr. Helge Peukert von der Uni Erfurt im vollbesetzten Tagungsraum der ZBW Hamburg seine Sicht auf die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise dar. Die Ursache der aktuellen Krise sieht er darin, dass sich die Staaten von den Finanzmärkten abhängig gemacht haben. Anstatt Steuern auf das wachsende Geldvermögen zu erheben, habe der Staat seine Ausgaben zunehmend durch Kredite finanziert. Die Probleme potenzierten sich, da die Staatsschulden aufgrund der Bankenrettungen weiter wuchsen. Die Reaktion der Politik auf die Krise: Durchwursteln. "Das funktioniert aber nicht", fürchtet Peukert und sieht als kurzfristige Lösung: Griechenland sollte Staatsinsolvenz erklären, was historisch bereits in vielen Ländern vorgekommen ist. Außerdem sollte die EZB als "lender of last owner" und "lender of last resort" fungieren, d.h. sie sollte eine Zwangsrekapitalisierung von Banken finanzieren und als Garant für Problemkredite wirken.
Allerdings meint Peukert: "Die Finanzmärkte müssen grundlegend reformiert werden." Deshalb fordert er ein Größenlimit für Banken und eine aktive Entflechtungspolitik, die Einführung eines Trennbankensystems und eine Quote von 30% für das Kernkapital. Er geht aber noch über diese Einzelmaßnahmen hinaus und sieht eine langfristige Lösung darin, dass die Geldordnung auf ein - schon von dem US-Ökonomen Irving Fisher propagiertes - 100%-Vollgeld umgestellt wird. Mit dem Konzept verbunden sind eine 100%ige Mindestreserve und die Abschaffung der Geldschöpfung durch Geschäftsbanken. Wachstum wird in diesem Konzept dadurch ermöglicht, dass die Notenbanken dem Staat entsprechend einer jährlichen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate Geld zuteilen.
Nach dem Vortrag eröffnete Moderatorin Dr. Brigitte Preissl die Fragerunde mit dem Publikum. Das Vollgeld-Konzept stieß bei den Zuhörern auf Skepsis, so wurde das große Vertrauen in die Fähigkeit des Staats, die richtigen Investitions-Entscheidungen zu treffen, in Zweifel gezogen. Ein anderer Zuhörer sah eine konsequente Durchsetzung der Gläubigerhaftung als wesentliche ordnungspolitische Maßnahme an und traf damit bei Helge Peukert auf Zustimmung.
Ein Audiomitschnitt dieser Veranstaltung ist auf der Quellseite vorhanden.
Quelle: Wirtschaftsdienst